Wie man Weihnachten im Original feiert

Geschenke, Kommerz und Stress: Alle Jahre wieder stehen mit den Feiertagen auch die Klagen über die inhaltslose, verkommene Weihnacht vor der Tür. Der Berliner Ethnologe Wolfgang Kaschuba sieht die heutige Weihnacht als "Freistil-Veranstaltung". Man könne den Tannenbaum auch mit BHs schmücken, ohne dass es jemanden stören würde, sagt er.

von Michael Carlin, ap / ZDF, 24.12.2004

Wie aber feiert man Weihnachten originalgetreu? Schon der Termin am 25. Dezember hat historisch mit dem Christentum wenig zu tun. Die Christen der ersten drei Jahrhunderte kümmerten sich nicht darum, an welchem Tag Jesus geboren wurde. Warum Papst Liberius im Jahr 354 ausgerechnet den 25. Dezember durchsetzte, bleibt zwar im Detail bis heute ungeklärt. Zufall war es wohl aber nicht.

Weihnachten als Gegenveranstaltung

Im römischen Reich entwickelte sich das Christentum in dieser Zeit von einer verfolgten Gruppe zur alleinigen Religionsgemeinschaft. Der 25. Dezember war trotzdem immer noch das unchristliche Fest zur Wintersonnenwende: dem "sol invictus", dem unbesiegbaren Sonnengott zu Ehren. Auch die Germanen feierten im deutschen Raum und in Skandinavien ihr Mittwinterfest oder "Julfest". Römer wie Germanen ehrten an diesem Tag mit der längsten Nacht des Jahres die wiederkehrende Sonne, die Macht des Lichts.

Dem hielt die christliche Kirche mit der Feier zu Jesu Geburt am 25. Dezember ihr eigenes Lichtfest entgegen. Sie berief sich auf die Bibel, die zwar in ähnlicher Symbolik Christus als das "Licht der Welt" sieht, allerdings kein genaues Datum für dessen Geburt angibt. Die heidnischen Bräuche hielten sich. "Julfest" ist in den nordischen Ländern noch heute die Bezeichnung für Weihnachten. Die Ursprünge für die heute weltweit verbreitete Tradition der Weihnacht sieht der Ethnologe Kaschuba zwar als "absolut deutsche Erfindung".

Die ersten Weihnachtsbäume

Es habe allerdings bis ins 19. Jahrhundert gedauert, bis Christi Geburt in der heute bekannten Form gefeiert worden sei. Schon im mittelalterlichen Europa verzierten die Menschen ihre Häuser mit Zweigen, Ruten oder auch Bäumen - zur Feier der Sonnenwende. Also lange bevor die ersten Christen im Elsass des 16. Jahrhunderts begannen, Tannen als Weihnachtsbäume zu schmücken. Diese waren nur spärlich behangen: mit Äpfeln als Symbol für die Sünden, von denen Jesus die Menschen erlöste, und - als Symbol für den Leib Christi - mit Oblaten, aus denen später aufwändiges Gebäck wurde.

Für die Geistlichkeit war das damals Aberglaube. "Unter allen Lappalien, mit denen man die alte Weihnachtszeit oft mehr als mit Gottes Wort begeht, ist auch der Weihnachts- oder Tannenbaum", notierte der Straßburger Prediger Conrad Dannhauer. Von den charakteristischen Kerzen an den Bäumen berichten erste Quellen erst im 18. Jahrhundert. Der Theologe Oscar Cullmann beschreibt in seinem Buch "Die Entstehung des Weihnachtsfestes" auch die Kerzen als eine Verbindung des Sonnenwend-Kults mit dem biblischen Motiv vom "Licht der Welt".

"Fressen und Sauffen"

Das Weihnachtsfest sei schon immer ständig im Wandel gewesen, sagt Rainer Wehse, Ethnologe in München. Noch im 18. Jahrhundert sei das Fest keine beschauliche Familienfeier gewesen, als die sie heute gesehen wird. So ist vom Prediger Albertus Steffen aus zu dieser Zeit die Klage überliefert: "Diejenige legen das Jesus-Kindlein in ein feurige Wiegen voll des höllischen Feuers, welche sich einbilden, die Feyrtäg seynd zu nichts anders angestellt als zum Fressen und Sauffen."

Älter als der Weihnachtsbaum: Jesus in der Krippe

Die Darstellung des Jesus-Kindleins in der Krippe ist älter als der Weihnachtsbaum. Die ersten Zeugnisse stammen aus dem 16. Jahrhundert. Krippen und Krippenspiele dienten dazu, dem ungebildeten Volk die frohe Botschaft zu erklären. Später, zur Zeit der Aufklärung, sollten die Menschen das Weihnachtsfest auch ohne Theater begreifen. Die Krippen wurden verboten, jedoch nur so lange, bis ihr alter Zweck wiederentdeckt wurde. Nun sollten sie die Kinder religiös erziehen.

Christuskind versus Nikolaus

Erst seit dem 19. Jahrhundert sei Weihnachten ein Familienfest und mit Geschenken für die Kinder verbunden, sagt Wehse. Der Geschenktag war lange Zeit dem St. Nikolaus am 6. Dezember vorbehalten. Doch die reformatorische Kirche lehnte die Heiligenverehrung ab. Martin Luther führte das Christkind ein, das fortan an Heilig Abend Geschenke brachte. Nur die protestantischen Niederländer machten dabei nicht mit. Sie feiern die Bescherung mit "Sinterklaas" - also "Santa Claus" - noch immer am 6. Dezember. Luthers Christkind dagegen hat sich ausgerechnet in katholischen Gegenden verbreitet.

Protestanten: Weihnachtsmann bringt die Geschenke

Und die Protestanten erzählen ihren Kindern heute nicht vom Christkind, sondern vom Weihnachtsmann oder Santa Claus. Dass dieser eine Erfindung von Coca-Cola sei, bezeichnet Rainer Wehse als "moderne Sage". Die durchschlagende Werbekampagne der Brausefirma habe es in den 30-er Jahren zwar gegeben. Doch zeigten sehr viel ältere Bild-Belege, dass schon St. Nikolaus in Rot dargestellt wurde. Für Wolfgang Kaschuba gehört dennoch auch der Weihnachtsmann zu jenen Elementen, die das heutige Weihnachten zu einem "bunten Bastelbogen" machen, aus dem jeder nehme, was er will. Insofern könne man beim Weihnachtenfeiern heute gar nichts mehr falsch machen.