die nutzlosen Geisteswissenschaften

just be. ⌂, Montag, 12.06.2006, 10:54 (vor 6531 Tagen)

Neulich im Informatikerforum kam es zu einer kleinen Diskussion in der unter anderem gesagt wurde, man könne ja zb die nutzlosen Geisteswissenschaften auch einfach abschaffen. Irgendwann mischte ich mich auch ein, und beendete mein Statement mit "Und wenn ihr unbedingt wollt kann ich Euch trotzdem einen Haufen "Wirtschaftsbranchen" aufzählen, in denen Ethnologen real gebraucht werden."
Natürlich wurde ich prompt um Aufklärung gebeten, weswegen ich um 2 uhr nachts mal schnell einen Überblick schrieb, mit den ich heute und ausgeschlafen wahrscheinlich ein wenig anders schreiben würde, aber trotzdem dachte ich, ich stell ihn hier mal zur Diskussion. Was würdet ihr hinzufügen, weglassen, anders sehen... >

Bitte berücksichtigen: Zielgruppe hier Informatik Studenten und Sinn dahinter: "auch Geisteswissenschaften sind wichtig"

(Orignal zusammenhang: http://www.die-informatiker.net/viewtopic.php>t=5977 seite 3 unten.)


Produkte entwerfen/ verändern/ zuschneiden wie Michael schon sagte ist natürlich ein riesen Spektrum. Bei Microsoft zb arbeiten also nicht nur Informatiker sondern auch Ethnologen, natürlich ist es bei (fast>) jedem Produkt wichtig, dass es auf die jeweilige Zielgruppe/ Volk/ Gesellschaft/ Kultur whatever zugeschnitten wird; vom dazugehörigem Markting ganz zu schweigen....

Ein anderes großes Feld ist die sog. "Interkulturelle Kommunikation" speziell in großen Firmen. Ist klar dass wenn ein Chinese, ein Ami und ein Franzose ein Team bilden, die Sache besser klappt, wenn irgendjemand die Leute vorher über "kulturelle Eigenheiten" aufgeklärt hat.

Ein nicht zu verachtender Wirtschaftszweig ist, neben der Herstellenden ja auch die Dienstleistungsindustrie, so wie zb der Tourismus. Wo hier Ethnologen auftreten können brauche ich wohl nicht weiter zu erklären.

Dann ist natürlich weiter die (Erwachsenen-) Bildung, Politik, Journalismus, Film usw aufzuzählen. Dass man als Politiker oder Journalist lieber best. Fachwissen haben sollte, als dass man Politk oder Jounalismus studiert hat, ist bisher noch nicht erwähnt worden, also tue ich es hiermit.

Als Ethnologe sind natürlich hier vor allem wieder die Interkulturellen "Branchen" interessant, zb. Entwicklungshilfe, Auswärtiger Dienst; das sag ich zu denen, die mich fragen "und was machste dann hinterher> Da kannste doch gleich Taxifahrer bleiben, wie willst du denn _damit_ Geld verdienen>" - "och, also so Botschafter oder Diplomat oder sowas ist eigentlich ein ganz reeles Berufsbild". Damit kann man ganz gut "mäuler stopfen" ;-)

Dann kommen die ganzen nicht-regierungs-geschichten (NGOs), eh klar dass man hier gut unterkommen kann.

Dann gibt es natürlich noch tausende Dinge "im Alltag" zb die Hebamme die im Ausländerviertel arbeitet, sollte Wissen über die "kulturellen Eigenheiten" haben, schließlich dringt sie sehr tief in das Leben ein.
Wobei wir schon bei gegenwärtigen Problemen wären, wie der sog. "Karikaturenstreit" oder die Vorfälle in Paris kürzlich wieder gezeigt haben, ebenso wie der krampfhafte Versuch, einem Teil der Welt, unser Kulturprodukt "Demokratie" aufzuzwingen. Was passiert sehen wir jeden Tag in den Nachrichten.

Na und dann gibt es natürlich noch viel spannendete Sachen, man könnte zb untersuchen, wie sich die Menschen das Internet - nachdem es ja ursprünglich ein many-to-many netz war, welches zu einem one-to-many web wurde - das web und das Internet wieder als many-to-many aneignen (also quasi zurückerobern); oder wie sich Computerspieler durch extreme Modifizierung ein Spiel aneignen. Und dies ist nur ein klitzekleiner Ausschnitt der Spanne der Forschungen (die auch für Wirtschaft, Industrie, Politik und blabla interessant sind), das Beispiel fand ich hier im Informatikerforum passender als Forschung über Besitz und Erbrechte in Ozeanien oder Schmanismus und Medizin in Nord-Ost-Asien.
Es gibt einfach noch mehr Arten zu leben, und das sieht man ja schon wenn man vor die Haustüre geht. Und mal ehrlich: was ist Euch denn "fremder", der "Blashornverein in Hintertupfingen" oder die "Beduinen im Sinai">

Übrigens gehen die Meinungen auseinander, die oberen Bereiche sind eher die, die moralisch gesehen etwas umstritten sind, mit dem Verdienst geht es allerdings nach unten hin auch immer weiter abwärts....


Das war jetzt ein kurzer und vor allem spontaner Überblick, habe bestimmt auch den ein oder anderen Bereich vergessen, aber ich denke, dass in unserer "globalisierten Welt" der Bedarf nach Ethnologen weiter steigen wird. Vorrausgesetzt wir überlassen die Weltherrschaft nicht der Wirtschaft. Aber dann würden wir eh nicht lange überleben.

Wenn ich irgendwo "eh klar", oder "nicht weiter zu erläutern" schrieb, dann könnt ihr natürlich gerne nachfragen, denn manche Sachen sind für mich so selbstverständlich, wie für Euch ein Semikolon am Ende einer bestimmten Zeile im Pseudocode ;-)


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