antisemitismus und ethnologie

leia @, Montag, 29.05.2006, 16:36 (vor 6534 Tagen)

hallo,

ich schreibe gerade eine magisterarbeit in ethnologie zum thema "die bedeutung von antisemitismus für die identitätskonstruktion bei arabisch geprägten männlichen jugendlichen in berlin-kreuzberg" und stecke noch in der phase der datenerhebung.
theoretischer hintergrund sind fragen nach ethnizität, transnationaler identitätsbildung, migration und eben antisemitismus.
bei allem, was antisemitismustheorien angeht (und ich beschäftige mich seit einigen jahren sehr intensiv damit) ist mir noch nie was aus ethnologischer sicht untergekommen. nicht auf einer theoretischen ebene, aber eben auch noch nicht mal blosse ethnographien.
fällt euch was ein>

ausserdem bin ich auf der suche nach einem/einer gutachterIn, und auch da will mir niemand so wirklich einfallen. werner schiffauer vielleicht, aber ich weiss nicht, ob er dem thema antisemitismus bei muslimen so wohlgesonnen ist. in berlin gibt es auf jeden fall nur leute, die entweder fit sind, was antisemitismus angeht (dann aber an anderen instituten sitzen und keine ahnung von ethno haben), oder aber ethnologisch geschult in punkto migration etc. (dann aber keinen plan von antisemitismus haben) eine kombi von beiden ist mir bisher unbekannt.

würde mich freuen über tips
thanx
leia

antisemitismus und ethnologie

jimoderTschad @, Donnerstag, 08.06.2006, 13:54 (vor 6525 Tagen) @ leia

Hi

Auch schon gemerkt> Antisemitismus ist für die Ethnologie ein missing link, sie will damit nichts zu tun haben, weil sie damit so viel zu tun hat.
Memmi soll ja bissl was dazu geschrieben haben, seine Kehrtwende wird teilweise in der neuen "Bahamas" übersetzt. Die Ethnologie hat zudem eine Allergie gegen kritische Theorie, weil diese das bequeme KleinKlein und das Sprechortgefasel der Postmoderne hinterfragt. Ein Anknüpfungspunkt wären vielleicht noch die psychoanalytischen Arbeiten, von denen es in der Ethno ein paar wenige gute gibt.
Ich arbeite an einem vergleich Afrikanischen Hexenglaubens mit dem modernen Antisemitismus in Bezug auf Fetischisierung der Ökonomie. vielleicht magst mir mal mailen>

http://myblog.de/nichtidentisches

Jim

» hallo,
»
» ich schreibe gerade eine magisterarbeit in ethnologie zum thema "die
» bedeutung von antisemitismus für die identitätskonstruktion bei arabisch
» geprägten männlichen jugendlichen in berlin-kreuzberg" und stecke noch in
» der phase der datenerhebung.
» theoretischer hintergrund sind fragen nach ethnizität, transnationaler
» identitätsbildung, migration und eben antisemitismus.
» bei allem, was antisemitismustheorien angeht (und ich beschäftige mich
» seit einigen jahren sehr intensiv damit) ist mir noch nie was aus
» ethnologischer sicht untergekommen. nicht auf einer theoretischen ebene,
» aber eben auch noch nicht mal blosse ethnographien.
» fällt euch was ein>
»
» ausserdem bin ich auf der suche nach einem/einer gutachterIn, und auch da
» will mir niemand so wirklich einfallen. werner schiffauer vielleicht, aber
» ich weiss nicht, ob er dem thema antisemitismus bei muslimen so
» wohlgesonnen ist. in berlin gibt es auf jeden fall nur leute, die
» entweder fit sind, was antisemitismus angeht (dann aber an anderen
» instituten sitzen und keine ahnung von ethno haben), oder aber
» ethnologisch geschult in punkto migration etc. (dann aber keinen plan von
» antisemitismus haben) eine kombi von beiden ist mir bisher unbekannt.
»
» würde mich freuen über tips
» thanx
» leia

antisemitismus und ethnologie

leia organic @, Freitag, 09.06.2006, 10:04 (vor 6524 Tagen) @ jimoderTschad

hi jim,

yo, hab den artikel über memmi auch schon gelesen.
ich denke auch, dass die mangelnde auseinandersetzung mit kritischer theorie
in der ethnologie damit zu tun hat, dass antisemitismus eine leerstelle ist,
aber das kann nicht die einzige erklärung sein, oder>

deine arbeit klingt spannend, was ist deine these> "die hexe" als "der jude"
afrikas, als verkörperung des werts welcher vernichtet werden muss> aber auf
welchen zeitraum beziehst du dich da, geht es auch um vorkapitalistische ökonomien>

wo schreibst du sowas, wer betreut sowas>
ich hab für meine arbeit echt keinerlei betreuung von leuten, die ahnung haben, und im colloqium muss ich mich auch immer mit den üblichen kruden einstellungen rumschlagen *seufz*

grüße
leia

antisemitismus und ethnologie

jim(odertschad) @, Freitag, 09.06.2006, 17:21 (vor 6523 Tagen) @ leia organic

Hi Leia

Naja, ich hatte mal ein Seminar zu Rassismustheorien, da wars ähnlich duster, "Othering", "Rasse-Klasse-Geschlecht" und der ganze Kindergarten. Zu Antisemitismus, was hätte die Ethnologie da zu sagen, außerhalb phänomenologischer Beschreibungen, und nicht mal das schafft sie> Das Völkchen x in der Wüste z ist so und so antisemitisch> Das würde ja irgendwie den RastazöpfchenträgerstudentInnen den Spaß verderben, kann ja nicht angehen, dass die armen Ausgebeuteten und Unterdrückten jetzt auf einmal selber miese Rassisten, Sexisten oder Antisemiten sein sollen. Das nennt man dann lieber "soziales Drama", das höchst funktional wirkt.

Zu meinem Thema: Die Denkform ist ähnlich: abstrakte Seite des Kapitals wird konkretisiert, wahnhaft versteht sich, und darauf aufbauend dann behauptet, dass von Hexen gesteuerte "Zombies" den südafrikanischen Arbeitsmarkt kaputtmachen. Klingt auch nicht unlogischer oder archaischer als "jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung" oder "Heuschrecken". Erscheinungsformen sind ähnlich, Pogrome und Lynchmorde. Klar, dass kein VerGLEICH mit dem deutschen Vernichtungskrieg ansteht. Jedoch, ganz kulturrelativistisch im positiven Sinne der kritischen Theorie: es muss nix besonders archaisches, vorkapitalistisches sein, wenn "Hexen den Fortschritt verhindern", oder wie in Südafrika Menschen von den "Comrades", einer Anti-Apartheid-Jugendorganisation, als Volksschädlinge mit "Kollaborateuren" zusammen verbrannt wurden.

Zu den anderen Fragen: mail mir mal: nichtidentisches@web.de

Ach so, da fällt mir ein: In der Osteuropaszene sind möglicherweise ein paar recht fitte Leute unterwegs, die sich auch mit Antisemitismus auskennen könnten. Renationalisierung findet da oft mit Antisemitismus zusammen statt, (übrigens auch mit Hexenjagden in Russland), gibt ne nette Studie von Minkenberg, weiß nicht merh ob der Ethnologe ist, hab mal was zu Antisemitismus in Litauen gemacht. Zu Antisemitismus in Kreuzberg, willst du da eher so Stadtethnologie machen, mit richtig Interviews> Würde ich ja Bröckelhusten von bekommen, den ganzen Tag Antisemiten ausfragen...

Gruß

Jim (oder Tschäd)



» hi jim,
»
» yo, hab den artikel über memmi auch schon gelesen.
» ich denke auch, dass die mangelnde auseinandersetzung mit kritischer
» theorie
» in der ethnologie damit zu tun hat, dass antisemitismus eine leerstelle
» ist,
» aber das kann nicht die einzige erklärung sein, oder>
»
» deine arbeit klingt spannend, was ist deine these> "die hexe" als "der
» jude"
» afrikas, als verkörperung des werts welcher vernichtet werden muss> aber
» auf
» welchen zeitraum beziehst du dich da, geht es auch um vorkapitalistische
» ökonomien>
»
» wo schreibst du sowas, wer betreut sowas>
» ich hab für meine arbeit echt keinerlei betreuung von leuten, die ahnung
» haben, und im colloqium muss ich mich auch immer mit den üblichen kruden
» einstellungen rumschlagen *seufz*
»
» grüße
» leia

antisemitismus und ethnologie

shinju @, Mittwoch, 06.12.2006, 23:22 (vor 6343 Tagen) @ leia

» bei allem, was antisemitismustheorien angeht (und ich beschäftige mich
» seit einigen jahren sehr intensiv damit) ist mir noch nie was aus
» ethnologischer sicht untergekommen. nicht auf einer theoretischen ebene,
» aber eben auch noch nicht mal blosse ethnographien.
» fällt euch was ein>

Es gibt in der Tat einige ethnologische Veröffentlichungen zu diesem Thema.
Ob sie für deine Fragestellung geeignet sind, weiß ich nicht.

Spöttel, Michael 1996 Hamiten. Völkerkunde und Antisemitismus

Maccoby, Hyam 1996 A Pariah People: The Anthropology of Antisemitism

Alex Hinton 1998 Why did the Nazis kill> Anthropology, genocide and the Goldhagen controversy. In: Anthropology today, Vol. 14, Nr.5, S.9-15.

Historisch interessant ist Émile Durkheim (der als Soziologe gilt, eigentlich Professor für Pädagogik war, aber auch sehr wichtig für die Ethnologie ist), da er sich zur Dreyfus-Affäre äußerte. Nahezu alle seine Schüler, wie etwa Marcel Mauss und Maurice Halbwachs, waren Dreyfus-Anhänger, oftmals auch deshalb, weil sie persönlich von Antisemitismus betroffen waren.

Auch Franz Boas wurde in Deutschland Opfer antisemitischer Angriffe.
Davon zeugten die Schmisse in seinem Gesicht, die er sich zuzog, nachdem er Studenten, die ihn antisemitisch beleidigt hatten, zum Duell herausforderte (Boas war Mitglied einer schlagenden Verbindung).

antisemitismus und ethnologie

leia @, Donnerstag, 07.12.2006, 16:03 (vor 6342 Tagen) @ shinju

Danke für die literaturtipps und die infos zu Durkheim, Boas und den anderen. mittlerweile habe ich auch noch einiges aufgetrieben. In der Europäischen Ethnologie im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem NS die (stark strukturalistische) Studie über TäterInnen und Verfolgte in einer westdeutschen Kleinstadt der kanadischen Anthropologin Frances Henry (1984), die Arbeiten des Volkskundlers Utz Jeggle zur Heimatkunde des NS, zur Regionalgeschichte deutscher Juden und Jüdinnen (1969) und dörflichen
Strukturen des Antisemitismus.
Der Sonderforschungsbereich “Literatur und Anthropologie” der Universität Konstanz veranstaltet 2002 eine Tagung, welche sich unter anderem der Analyse akademischer antisemitischer Diskurse deutscher AnthropologInnen widmete.
Und eben Spöttel (1995) in dem von dir erwähnten Buch „Völkerkunde und Antisemitismus“ der anhand der Publikationen von Ethnologen wie Leo Frobenius, Wilhelm Schmidt und Wilhelm E. Mühlmann den Zusammenhang zwischen der ethnologischen Erforschung nicht-europäischer Gruppen und judenfeindlichen Haltungen, insbesondere vor dem Hintergrund der sogenannten „Hamitentheorie“. Eine aktuelles Beispiel bilden die Beiträge um den Text von Bunzl (2005) zu Antisemitismus und „Islamophobie“ im American Ethnologist mit dem Schwerpunkt „Exclusionary Projects and Anthropological Analysis“

antisemitismus und ethnologie

shinju ⌂ @, Sonntag, 10.12.2006, 15:28 (vor 6339 Tagen) @ leia

» Und eben Spöttel (1995) in dem von dir erwähnten Buch „Völkerkunde und
» Antisemitismus“ der anhand der Publikationen von Ethnologen wie Leo
» Frobenius, Wilhelm Schmidt und Wilhelm E. Mühlmann den Zusammenhang
» zwischen der ethnologischen Erforschung nicht-europäischer Gruppen und
» judenfeindlichen Haltungen, insbesondere vor dem Hintergrund der
» sogenannten „Hamitentheorie“. Eine aktuelles Beispiel bilden die Beiträge
» um den Text von Bunzl (2005) zu Antisemitismus und „Islamophobie“ im
» American Ethnologist mit dem Schwerpunkt „Exclusionary Projects and
» Anthropological Analysis“

Den Text von Bunzl werde ich mir mal besorgen.
Man findet sicher noch einiges mehr zum Thema aus ethnologischer Sicht.
Die eigene NS-Vergangenheit wird in der deutschen Ethnologie generell leider nur selten thematisiert, wobei der Antisemitismus der Völkerkundler noch eine besondere Nichtbeachtung erfährt.

antisemitismus und ethnologie

coca.koala @, Montag, 06.10.2008, 09:44 (vor 5674 Tagen) @ shinju

Den Text vom Bunzl findet man nun auch in deutscher Sprache:

der.wisch 05. Wien, September 2008.
132 Seiten, farbig, mit zahlr. Illustr., ISBN 978-3-900020-05-7.
Kostenpunkt: 5,- € (inkl. Porto und Versand).
zu bestellen unter der.wisch(at)kanafani.at.

Inhaltsverzeichnis: http://www.kanafani.at/inhaltsv05.html
AutorInnen: http://www.kanafani.at/autorinnen05.html
Editorial: http://www.kanafani.at/editorial05.html


» » Und eben Spöttel (1995) in dem von dir erwähnten Buch „Völkerkunde und
» » Antisemitismus“ der anhand der Publikationen von Ethnologen wie Leo
» » Frobenius, Wilhelm Schmidt und Wilhelm E. Mühlmann den Zusammenhang
» » zwischen der ethnologischen Erforschung nicht-europäischer Gruppen und
» » judenfeindlichen Haltungen, insbesondere vor dem Hintergrund der
» » sogenannten „Hamitentheorie“. Eine aktuelles Beispiel bilden die
» Beiträge
» » um den Text von Bunzl (2005) zu Antisemitismus und „Islamophobie“ im
» » American Ethnologist mit dem Schwerpunkt „Exclusionary Projects and
» » Anthropological Analysis“
»
» Den Text von Bunzl werde ich mir mal besorgen.
» Man findet sicher noch einiges mehr zum Thema aus ethnologischer Sicht.
» Die eigene NS-Vergangenheit wird in der deutschen Ethnologie generell
» leider nur selten thematisiert, wobei der Antisemitismus der Völkerkundler
» noch eine besondere Nichtbeachtung erfährt.

antisemitismus und ethnologie

anthrotraveller ⌂, VIE/AT/EU, Mittwoch, 31.01.2007, 15:45 (vor 6287 Tagen) @ leia

genau, - ich moechte nicht hier "werbung" fuer meine arbeit machen, aber es ist einfach eine abkuerzung hier, wenn ich diesen link nenne, anstatt alles nochmal auszufuehren: in meinem journal zitat anfang: "Bei einem Besuch einer Gruppe Bella Coola überredete er seinen Lehrer Adolf Bastian (1826 – 1905) in eine neuerliche Reise nach Nordamerika einzuwilligen. Boas hätte seiner jüdischen Religion abschwören müssen, um eine dauerhafte Stelle an der Universität Berlin einnehmen zu können (vgl. Gaillard 2004: 60 f.)." (Amber 2006: http://anthropologicjournals.blogspot.com/2007/01/der-erste-paradigmenwechsel-in-der.html 2007-01-31 3:43 PM). tipp: die "christlich-deutsche-tischgesellschaft" mit den ersten paragraphen ...

» Danke für die literaturtipps und die infos zu Durkheim, Boas und den
» anderen. mittlerweile habe ich auch noch einiges aufgetrieben. In der

antisemitismus und ethnologie

shinju @, Mittwoch, 06.12.2006, 23:28 (vor 6343 Tagen) @ leia

» ich schreibe gerade eine magisterarbeit in ethnologie zum thema "die
» bedeutung von antisemitismus für die identitätskonstruktion bei arabisch
» geprägten männlichen jugendlichen in berlin-kreuzberg" und stecke noch in
» der phase der datenerhebung.

Ist der Titel eine Frage oder setzt du das schon voraus>
Wie erhebst du Daten> Wenn du Interviews machst und die Befragten deinen Titel kennen, dann wirst du eine enorme Verzerrung haben.
Und wer sind die arabisch geprägten>
Ist ein Junge, der in Deutschland geboren wurde, aber dessen Eltern aus Syrien stammen, nun "deutsch" oder "arabisch" geprägt>

antisemitismus und ethnologie

leia @, Donnerstag, 07.12.2006, 16:12 (vor 6342 Tagen) @ shinju

» Ist der Titel eine Frage oder setzt du das schon voraus>
ausgehend von bestehender literatur und aktuellen diskussionen und studien zum sog. "neuen antisemitismus" ging ich mit der hypothese ins feld, dass antisemitismus teil der diskurse der jugendlichen sein wird und es einen zusammenhang zu identitätskonzepten geben würde. das wurde sehr schnell bestätigt in ersten interviews und teilnehmenden beobachtungen.

» Wie erhebst du Daten> Wenn du Interviews machst und die Befragten deinen
» Titel kennen, dann wirst du eine enorme Verzerrung haben.
klar. ich hab die datenerhebungsphase mittlerweile abgeschlossen. ich habe in den ersten monaten nur teilnehmende beobachtung gemacht und von mir aus das thema antisemitismus nicht in gespräche eingebracht. es war ziemlich schnell klar, dass juden/jüdinnen, israel etc. von den kids selber ständig angesprochen werden. bei den interviews habe ich gesagt, dass es mir um die lebenswelten von jugendlichen und ihre einstellungen zu politischen fragestellungen geht. aus forschungsethischer perspektive bin ich nicht glücklich damit, weil es zwar keine lüge aber auch nicht die volle wahrheit es, aber es gibt halt fragestellungen, wo die benennung des eigentlichen schwerpunktes die ergebnisse eben, wie du ja auch festgestellt hast, stark verzerren würde.

» Und wer sind die arabisch geprägten>
» Ist ein Junge, der in Deutschland geboren wurde, aber dessen Eltern aus
» Syrien stammen, nun "deutsch" oder "arabisch" geprägt>
sowohl als auch. die meisten meiner informanten sind vom pass her "deutsch", von der selbstbezeichnung "arabisch". was "arabisch" nun genau meint, ist ja auch nicht klar definierbar. um irgendwelchen ethnisch-völkischen zuschreibungen zu entgehen, beziehe ich mich dabei meist auf die staaten der arabischen liga. die jungs, mit denen ich interviews gemacht habe, stehen über familienkontakt und medienkonsum in mehr oder weniger engem kontakt mit diskursen in den herkunftsländern ihrer eltern, deswegen "arabisch geprägt".
ich finde die bezeichnung auch nicht ideal, hatte aber auch keine bessere idee. du>

antisemitismus und ethnologie

shinju ⌂ @, Sonntag, 10.12.2006, 15:23 (vor 6339 Tagen) @ leia

» » Wie erhebst du Daten> Wenn du Interviews machst und die Befragten
» deinen
» » Titel kennen, dann wirst du eine enorme Verzerrung haben.
» klar. ich hab die datenerhebungsphase mittlerweile abgeschlossen. ich habe
» in den ersten monaten nur teilnehmende beobachtung gemacht und von mir aus
» das thema antisemitismus nicht in gespräche eingebracht. es war ziemlich
» schnell klar, dass juden/jüdinnen, israel etc. von den kids selber ständig
» angesprochen werden. bei den interviews habe ich gesagt, dass es mir um die
» lebenswelten von jugendlichen und ihre einstellungen zu politischen
» fragestellungen geht. aus forschungsethischer perspektive bin ich nicht
» glücklich damit, weil es zwar keine lüge aber auch nicht die volle
» wahrheit es, aber es gibt halt fragestellungen, wo die benennung des
» eigentlichen schwerpunktes die ergebnisse eben, wie du ja auch
» festgestellt hast, stark verzerren würde.

Es gibt ein Konzept, das in der Diskussion um die Ethnographische Repräsentation entstanden ist, in dem man den Informanten vorher zeigt, was man über sie geschrieben hat und wo sie das selbst noch einmal kommentieren können, bzw. darauf Einfluss nehmen können. Damit soll (zumindest in der Theorie) die Hierarchie zwischen Forscher und den Erforschten etwas abgebaut werden. In der Psychologie gibt es etwas sehr ähnliches.
Leider lässt sich das wohl nicht immer realisieren, auch dein sehr politisiertes Thema würde das erschweren.

» » Und wer sind die arabisch geprägten>
» » Ist ein Junge, der in Deutschland geboren wurde, aber dessen Eltern aus
» » Syrien stammen, nun "deutsch" oder "arabisch" geprägt>
» sowohl als auch. die meisten meiner informanten sind vom pass her
» "deutsch", von der selbstbezeichnung "arabisch". was "arabisch" nun genau
» meint, ist ja auch nicht klar definierbar. um irgendwelchen
» ethnisch-völkischen zuschreibungen zu entgehen, beziehe ich mich dabei
» meist auf die staaten der arabischen liga. die jungs, mit denen ich
» interviews gemacht habe, stehen über familienkontakt und medienkonsum in
» mehr oder weniger engem kontakt mit diskursen in den herkunftsländern
» ihrer eltern, deswegen "arabisch geprägt".
» ich finde die bezeichnung auch nicht ideal, hatte aber auch keine bessere
» idee. du>

Eine bessere Bezeichnung fällt mir auch nicht ein. Es handelt sich hier vielleicht auch mehr um Politik (bzw. politische Einstellungen), die von den Medien und den Eltern übernommen werden und weniger um Kultur (im Sinne von Sitten und Gebräuchen). Wobei Kultur natürlich politisiert wird und Politik kulturalisiert.
Wenn du dich auf ihre Lebenswelten und Selbstdefinitionen stützt (und das deutlich machst), dann kannst du Kulturalisierungen vielleicht vermeiden.

antisemitismus und ethnologie

anthrotraveller ⌂, VIE/AT/EU, Mittwoch, 31.01.2007, 15:54 (vor 6287 Tagen) @ leia

"arabisch gepraegt": ich glaube fuer die ethnologie zu schwammige begrifflichkeit. sind damit die arabisch-sprachigen jungen gemeint, dann waere die formulierung, wie ich finde, zu ungenau. mittlerer osten, naher osten, orientalismus, edward said, (okzidentalismus), identitaetsdebatte, was bedeutet "arabische" laender> nationen> geht es dann eher um nationalismen> oder um glaubensfragen> mit welchen argumenten bedeuten die jugendlichen ihre identitaet>

sybil

» » Ist der Titel eine Frage oder setzt du das schon voraus>

antisemitismus und ethnologie

leia organic @, Mittwoch, 31.01.2007, 17:01 (vor 6287 Tagen) @ anthrotraveller

Die Selbstbezeichnungen bei meinen Informanten sind unterschiedlich, sie bezeichnen sich als "arabisch", "muslimisch", "palästinensisch", vor allem aber ersteres, und sie haben eine deutsche Staatsangehörigkeit. Da die Diskurse in den (arabischen) Herkunftsländern für sie sehr wichtig sind, wählte ich die Formulierung "arabisch geprägt".
Klar, die Definition eines "arabischen Landes" wiederum oder der "arabischen Welt" ist umstritten. Einerseits die 21 Nationalstaaten (sowie die Palästinensischen Autonomiegebiete als 22. Mitglied) der Arabischen Liga, andererseits das Siedlungsgebiet von sich als "AraberInnen" definierenden Bevölkerungsgruppen. Arabische NationalistInnen zählen zum "arabischen Vaterland", dem al-watan al-arabi, aber auch arabisch geprägte Provinzen im Iran und anderen Ländern, obwohl diese Gebiete nicht zur Arabischen Liga gehören.
Deswegen wird es für den Begriff keine Definition mit eindeutigen Grenzen geben. Ein besserer ist mir auch nicht eingefallen. Die Bezeichnung "arabische Jugendliche" wäre zwar an der emischen Selbstbezeichnung orientiert, aber doch zusehr in einem Mainstream-Diskurs verhaftet, der aufgrund des deutschen 'Ius Sanguinis' einfach nicht anerkennen will, dass es eben _deutsche_ Kids sind. Diesen Rassismus will ich nicht auch noch bedienen durch den Titel meiner Arbeit.

» mit welchen argumenten bedeuten die jugendlichen ihre identitaet>
das ist eine längere frage, die ich nicht so in einem satz beantworten kann. kann dir meine arbeit schicken, wenn du magst, ist nächste woche fertig. kurz gefasst: teilweise ist es ein mangel an identitätsgeboten der mehrheitsgesellschaft, die eben nicht anerkennt, dass es möglich ist, sowohl "muslim" als auch "deutscher" zu sein, der m.E. zu selbstethnisierungen führt, sowie rassistische zuschreibungen als "ausländer", "terrorist", "araber" die zur übernahme dieser stereotype führen. weiterhin eine starke, teilweise familiengeschichtlich tradierte, identifikation mit dem herkunftsland der eltern, aufgrund derer eine "arabische" bzw. "palästinensische" identität aufgebaut wird.

antisemitismus und ethnologie

anthrotraveller ⌂, VIE/AT/EU, Donnerstag, 01.02.2007, 16:29 (vor 6286 Tagen) @ leia organic

antisemitismus und ethnologie

anthrotraveller ⌂, VIE/AT/EU, Donnerstag, 01.02.2007, 16:50 (vor 6286 Tagen) @ leia organic

so, ich antworte doch offiziell und nicht per email:

aehnlich schwierig ist die diskussion in diesem forum ueber das _"juedische_volk"_, es gibt da dann doch eine emische, also auf selbstzuschreibungen, basierende perspektive, die die selbstverstaendlichkiet, dass das judentum eine religion ist, relativieren...; ich fand gestern eine seite:http://www.liberale-juden.de/cms/index.php>id=55,... ich moechte das gar nicht so genau ausfuehren,-bitte im zweifelsfall_http://www.hagalil.com_lesen und kontaktieren-es gibt defintionen, die freilich nur hilfskonstruktionen fuer momentaufnahmen (essays, seminararbeiten,..) darstellen; viel glueck beim fertig stellen -

antisemitismus und ethnologie

anthrotraveller ⌂, VIE/AT/EU, Mittwoch, 31.01.2007, 15:36 (vor 6287 Tagen) @ leia
bearbeitet von anthrotraveller, Mittwoch, 31.01.2007, 16:12

hi aus wien, schade, ich habe dieses forum erst dieser tage entdeckt. ich arbeitete 2004 in einem seminar an der uni wien zum thema, ergebnisse des work in progress sind hier zu finden:

Seminararbeiten diverser StudentInnen: Ethnologie im Nationalsozialismus: http://www.univie.ac.at/ksa/html/inh/fors/work.htm

Eine andere Arbeit von mir: Antijudaismus im Internet: http://www.unet.univie.ac.at/~a8404316/

vielleicht sind fuer dich die bibliographien interessant ... es gibt eine diskussion um dieses thema. besonders ethnologinnen und kultur- und sozialanthropologinnen sollten wissen, wie ich finde, und da besonders studentinnen im deutschsprachigen mitteleuropa, wie, wann wieso dieser "wissenschaftliche antijudaismus" zusatnde kam und griff (siehe eva justin und ihre diss) ...

sybil

» hallo,
»
» ich schreibe gerade eine magisterarbeit in ethnologie zum thema "die
» bedeutung von antisemitismus für die identitätskonstruktion bei arabisch

antisemitismus und ethnologie

Henry Maine @, Montag, 21.05.2007, 14:04 (vor 6178 Tagen) @ anthrotraveller

» Eine andere Arbeit von mir: Antijudaismus im Internet:
» http://www.unet.univie.ac.at/~a8404316/
»
» vielleicht sind fuer dich die bibliographien interessant ... es gibt eine
» diskussion um dieses thema. besonders ethnologinnen und kultur- und
» sozialanthropologinnen sollten wissen, wie ich finde, und da besonders
» studentinnen im deutschsprachigen mitteleuropa, wie, wann wieso dieser
» "wissenschaftliche antijudaismus" zusatnde kam und griff (siehe eva justin
» und ihre diss) ...
»

Eva Justin schrieb ihre Diss doch ueber "Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder und ihrer Nachkommen".
Oder geht es da auch um Antisemitismus>

antisemitismus und ethnologie

Sybil @, VIE, Montag, 21.05.2007, 14:23 (vor 6178 Tagen) @ Henry Maine

» Eva Justin schrieb ihre Diss doch ueber "Lebensschicksale artfremd
» erzogener Zigeunerkinder und ihrer Nachkommen".
» Oder geht es da auch um Antisemitismus>

Ja freilich. Das antijudaistische Regime im WW II beschraenkte sich nicht auf Menschen mosaischen Glaubens, bekanntlich. Der Vollstaendigkeit wegen nannte ich diese Diss, weil die pseudowissenschaftliche Argumentation eine aehnliche wie bei allen anderen Verfolgten und Ermordeten dieser Zeit ist.

antisemitismus und ethnologie

Henry Maine @, Montag, 21.05.2007, 21:45 (vor 6177 Tagen) @ Sybil

» » Eva Justin schrieb ihre Diss doch ueber "Lebensschicksale artfremd
» » erzogener Zigeunerkinder und ihrer Nachkommen".
» » Oder geht es da auch um Antisemitismus>
»
» Ja freilich. Das antijudaistische Regime im WW II beschraenkte sich nicht
» auf Menschen mosaischen Glaubens, bekanntlich. Der Vollstaendigkeit wegen
» nannte ich diese Diss, weil die pseudowissenschaftliche Argumentation eine
» aehnliche wie bei allen anderen Verfolgten und Ermordeten dieser Zeit ist.

Aber du kannst doch nicht den gesamten Nationalsozialismus unter den Begriff Antijudaismus fassen. Im übrigen ist Antijudaismus die Bezeichnung für den religiös motivierten Judenhass im Mittelalter und der Frühen Neuzeit, in der Moderne spricht man von Antisemitismus.
Im NS sortierte man nicht nach Religionen, sondern es galten die Nürnberger Rassengesetze (auch für "Zigeuner" und "Neger"). Atheistische "Juden" wurden genauso verfolgt wie orthodoxe.

Es macht doch keinen Sinn zu behaupten, dass die NS Ideologie nur aus Antisemitismus bestanden hätte. Eugenik, Rassismus, Antiziganismus usw. spielten auch eine relevante Rolle und die sind nun mal nicht mit Antisemitismus identisch.
Antisemitismus und Antiziganismus haben aber einige Gemeinsamkeiten, wie z.B. dass sie sich gegen ein "wurzelloses Volk" richten.
In den NS Vernichtungslagern kamen auch vor allem Juden, Roma und Sinti um.

antisemitismus und ethnologie

Henry Maine @, Montag, 21.05.2007, 21:47 (vor 6177 Tagen) @ Henry Maine

.
» Im NS sortierte man nicht nach Religionen, sondern es galten die
» Nürnberger Rassengesetze (auch für "Zigeuner" und "Neger" ).

Der Smiley war nicht beabsichtig, nicht dass es zu Missverständnissen kommt.

antisemitismus und ethnologie

Sybil @, VIE, Dienstag, 22.05.2007, 13:39 (vor 6177 Tagen) @ Henry Maine

» Aber du kannst doch nicht den gesamten Nationalsozialismus unter den
» Begriff Antijudaismus fassen. Im übrigen ist Antijudaismus die Bezeichnung
» für den religiös motivierten Judenhass im Mittelalter und der Frühen
» Neuzeit, in der Moderne spricht man von Antisemitismus.
» Im NS sortierte man nicht nach Religionen, sondern es galten die
» Nürnberger Rassengesetze (auch für "Zigeuner" und "Neger"). Atheistische
» "Juden" wurden genauso verfolgt wie orthodoxe.
»
» Es macht doch keinen Sinn zu behaupten, dass die NS Ideologie nur aus
» Antisemitismus bestanden hätte. Eugenik, Rassismus, Antiziganismus usw.
» spielten auch eine relevante Rolle und die sind nun mal nicht mit
» Antisemitismus identisch.
» Antisemitismus und Antiziganismus haben aber einige Gemeinsamkeiten, wie
» z.B. dass sie sich gegen ein "wurzelloses Volk" richten.
» In den NS Vernichtungslagern kamen auch vor allem Juden, Roma und Sinti
» um.

1 Selbstverstaendlich fasse ich die Grausamkeiten des WW II nicht unter Antijudaismus zusammen. Ich fasse auch nicht Holocaust und Shoa zusammen. Die Ich habe diese Arbeit zur Vollstaendigkeit genannt, wie ich oben geschrieben habe. Diese Diss ist durch die Zusammenarbeit bekannter WissenschafterInnen dieser Zeit entstanden, die alle mit dem Regime kooperiert haben. Ich weiss das, sie koennten auch die auf der Webseite der Kultur- und Sozialanthropologie bereit gestellten Arbeiten LESEN.

antisemitismus und ethnologie

nichtidentisches ⌂ @, -, Montag, 21.05.2007, 00:26 (vor 6178 Tagen) @ leia

Irgendwie schon klar, dass sich mit den allzu offenen und zum Glück toten Antisemiten in der Völkerkunde auseinandergesetzt wurde. Dazu gibts: Lebenslust und Fremdenfurcht: Ethnologie im dritten Reich.
Aber eine Prüfung ethnologischer Theorien am Antisemitismus etwa Funktionalismus oder Strukturalismus auf den Antisemitismus anzuwenden, das ist m.E. nicht so leicht zu finden. Dass nämlich bei den gänzlich unantisemitischen Vorläufern und den teilweise jüdischen Opfern unter den Ethnologen sich dennoch enorme Überschneidungen zu völkischen Konzepten, die geradezu zwangshaft zum Antisemitismus führen, finden lassen, Levi-Strauss mit seiner teilweise Spenglerschen Elegie ist so ein Beispiel für die inzwischen als neurechts bekannte Denkweise. Klar war der NS schlimm, das sahen die Ethnologen auch ein, und hatten es wie Levi-Strauss auch am eigenen Leib erlebt und Familie verloren, aber deshalb ihre werte Theorie am schlimmsten Verbrechen der Geschichte, dem Rückfall in die Barbarei zu messen, das fiel dann doch den wenigsten ein. Der zweite Weltkrieg bleibt in Levi-Strauss Traurigen Tropen beispielsweise auf ein kurzes Einsprengsel beschränkt, hundert Seiten später werden KZs mit indischen Pilgerherbergen verglichen und alles geht in einem Einheitsbrei von immergleichem Leiden und dem natürlichen Vernichtungskampf der überbevölkerten Maden auf.

Die einzige Theorie, die sich wirklich etwas daraus gemacht hat war die kritische Theorie um Adorno. Für alle anderen war Auschwitz mal interessant und schockierend, aber theoretisch betrachtet war business as usual angesagt. Und leider kann man in ethnologischen Bibliotheken relativ vergeblich die Literaturlisten nach dem Namen Adorno durchsuchen.
Irgendwann wenn ichs mir leisten kann, promovier ich vielleicht mal darüber. Bis dahin muss man sichs halt selber rauslesen, was man braucht.

antisemitismus und ethnologie

Henry Maine @, Montag, 21.05.2007, 14:34 (vor 6178 Tagen) @ nichtidentisches

» Irgendwie schon klar, dass sich mit den allzu offenen und zum Glück toten
» Antisemiten in der Völkerkunde auseinandergesetzt wurde. Dazu gibts:
» Lebenslust und Fremdenfurcht: Ethnologie im dritten Reich.
» Aber eine Prüfung ethnologischer Theorien am Antisemitismus etwa
» Funktionalismus oder Strukturalismus auf den Antisemitismus anzuwenden,
» das ist m.E. nicht so leicht zu finden. Dass nämlich bei den gänzlich
» unantisemitischen Vorläufern und den teilweise jüdischen Opfern unter den
» Ethnologen sich dennoch enorme Überschneidungen zu völkischen Konzepten,
» die geradezu zwangshaft zum Antisemitismus führen, finden lassen,
» Levi-Strauss mit seiner teilweise Spenglerschen Elegie ist so ein Beispiel
» für die inzwischen als neurechts bekannte Denkweise.

Die jüdischen Opfer waren antisemitisch>>
Das willst du doch hoffentlich nicht ernsthaft behaupten>
Und warum führen Funktionalismus und Strukturalismus zwangsläufig zu Antisemitismus>
Oder sagst du das gar nicht>
Und fast alle Funktionalisten und Strukturalisten sind doch schon tot (nur der bald hundertjährige Levi Strauss nicht).
Klassiker wie Mauss,Malinowski, Evans-Pritchard sind zwar noch auf dem Lehrplan, aber so gut wie niemand würde sich heute selbst als Funktionalist oder Strukturalist begreifen.

»Klar war der NS
» schlimm, das sahen die Ethnologen auch ein, und hatten es wie Levi-Strauss
» auch am eigenen Leib erlebt und Familie verloren,

Die Aussage ist ziemlich geschmacklos.

»aber deshalb ihre werte
» Theorie am schlimmsten Verbrechen der Geschichte, dem Rückfall in die
» Barbarei zu messen, das fiel dann doch den wenigsten ein.

Der Nationalsozialismus war kein Rückfall in die Barbarei, Auschwitz wurde nicht von "primitiven Stämmen", sondern von einem der modernsten Staaten in der damaligen Welt betrieben.

Ich schreibe später noch etwas zu Adorno und Ethnologie.

antisemitismus und ethnologie

leia @, Montag, 21.05.2007, 14:38 (vor 6178 Tagen) @ nichtidentisches

» Irgendwann wenn ichs mir leisten kann, promovier ich vielleicht mal
» darüber. Bis dahin muss man sichs halt selber rauslesen, was man braucht.

und, ist deine magisterarbeit schon fertig>

antisemitismus und ethnologie

Henry Maine @, Montag, 21.05.2007, 18:15 (vor 6177 Tagen) @ nichtidentisches

» Die einzige Theorie, die sich wirklich etwas daraus gemacht hat war die
» kritische Theorie um Adorno. Für alle anderen war Auschwitz mal
» interessant und schockierend, aber theoretisch betrachtet war business as
» usual angesagt. Und leider kann man in ethnologischen Bibliotheken relativ
» vergeblich die Literaturlisten nach dem Namen Adorno durchsuchen.

Es stimmt, dass Adorno in der deutschsprachigen Ethnologie kaum Erwähnung findet. Dennoch begründet Irmtraud Stellrecht ihre "Interpretative Ethnologie" auch unter Berufung auf Horkheimer und Adorno.
Im englischprachigen Raum wird Adorno in der Cultural Anthropology, den Cultural Studies und Postcolonial Studies häufiger rezipiert.
Um ein Beispiel zu nennen John Hutnyk (1998) "Adorno at Womad: South Asian crossovers and the limits of hybridity-talk" in: Postcolonial Studies, Volume 1, Issue 3.

Es fragt sich aber auch, warum Adorno der Nr.1 Theoretiker für die Ethnologie als empirische Wissenschaft sein soll. Man kann ja nicht alles, was auf der Welt passiert, aus den Minima Moralia und der Dialektik der Aufklärung ableiten. Feldforschung ist im Prinzip schon sinnvoll.
Was mir einfallen würde wäre eine Weiterentwicklung der Studien zum autoritären Charakter, die dann in mehreren Ländern getestet wird.


» Irgendwann wenn ichs mir leisten kann, promovier ich vielleicht mal
» darüber. Bis dahin muss man sichs halt selber rauslesen, was man braucht.

über was willst du promovieren> Die Nichtbeachtung von Adorno in der Ethnologie>

Spannender fande ich es, etwas zum Einfluss der Ethnologie in Adornos Denken zu machen. Sich die "Urgeschichte der Subjektivität", die in der Dialektik der Aufklärung formuliert wird, im Hinblick auf ihre Grundlagen in ethnologischen Theorien des 19.(und frühen)Jahrhunderts noch mal anzuschauen. Da werden nicht nur Mauss und Durkheim (=Funktionalisten/Positivisten)zitiert, sondern auch Rassentheoretiker wie Edvard Westermarck.

In Fussnote 8 im Odysseus Kapitel finden sich nicht haltbare evolutionistische Thesen von Westermarck.

"Die Sitte des Menschenopfers... ist unter Barbaren und halbzivilisierten Völkern viel verbreiteter als unter echten Wilden, und auf den niedrigsten Kulturstufen kennt man sie überhaupt kaum."

antisemitismus und ethnologie

Henry Maine @, Montag, 21.05.2007, 21:31 (vor 6177 Tagen) @ Henry Maine

» "Die Sitte des Menschenopfers... ist unter Barbaren und halbzivilisierten
» Völkern viel verbreiteter als unter echten Wilden, und auf den niedrigsten
» Kulturstufen kennt man sie überhaupt kaum."

In der englischen Ausgabe des Buches von Westermarck heisst es auch "The custom of infanticide", aber das ist ja nicht so wichtig.
Jedenfalls gehen Adorno und Horkheimer ziemlich unkritisch mit Westermarck um.
Wenn sie Westermarck zitieren:

"Bei kannibalischen Völkern wie denen Westafrikas durften "weder Weiber noch Jünglinge... von der Delikatesse genießen." "
(Fussnote 9 im OdysseusKapitel)
hinterfragen sie dabei nicht, dass es sich bei Berichten über Kannibalen zumeist um koloniale Legenden handelt.
Ganz ähnlich wird in dem Buch "The Origin and Development of the Moral Idea", aus dem das Eingangszitat hier stammt, behauptet, dass es Kindsmord zwar in der hebräischen Zeit nicht mehr gegeben hätte, aber:

"But we have reason to believe that at an earlier period, among them, as among other branches of the Semitic race child murder was frequently practiced as a sacrificial rite."

Hier greift Westermarck in seiner zum teil eher fiktiven Universalgeschichte des Kindsmords die antisemitische Ritualmordlege, dass "die Juden" Kinder opfern würden, auf.

Auch im Aufsatz "Mensch und Tier" gibt es einen sehr evolutionistischen Gedanken, der wohl auf Sigmund Freud zurückgeht.
Gerade der Einfluss solcher Gedanken auf die Kritische Theorie ist meines Wissens noch nie thematisiert worden und es wäre wert, sich damit zu beschäftigen.

antisemitismus und ethnologie

harry, Montag, 30.07.2007, 14:21 (vor 6108 Tagen) @ nichtidentisches

» Und leider kann man in ethnologischen Bibliotheken relativ
» vergeblich die Literaturlisten nach dem Namen Adorno durchsuchen.
» Irgendwann wenn ichs mir leisten kann, promovier ich vielleicht mal
» darüber. Bis dahin muss man sichs halt selber rauslesen, was man braucht.

naja, Kant wird in der Ethnologie auch nicht wirklich zitiert. das liegt am Wesen der Ethnologen: sie wollen sich immer abgrenzen und die Welt neu erfinden. das gehört sozusagen auch zu ihrem Berufsethos, denn heißt ethnologe sein nicht, eine unbelastete Herangehensweise an Völker, Kulturen etc. zu finden>

ich finde dein argument nicht gut. überhaupt immer dieses 'jaja, alle verdrängen das Böse des WK2'. möchte mal wissen, wo in der Ethnologie Verdrängung statt findet> vielmehr ist ja so ein Genuss am Dekonstruieren, am Aufdecken und gegenseitigen Anklagen, dass es nur so eine Freude ist.

dass kein Adorno in Ethno-Bibliotheken zu finden ist, dürfte auch mit dem Budget von Ethno-bibliotheken zusammenhängen. Adorno findest du ja sonst häufig genug an einer Uni (der Hauptbibliothek, der literaturwissenschaftlichen Bibliothek, der sozialwissenschaftlichen Bibliothek, der geschichtsbibliothek, der philosophischen bibliothek etc.)

antisemitismus und ethnologie

nichtidentisches ⌂ @, ., Sonntag, 12.08.2007, 16:56 (vor 6094 Tagen) @ harry

@"Die jüdischen Opfer waren antisemitisch>"

Leider gibt es auch das und keinem namhaften Antisemitismusforscher stellt das ein Rätsel dar. Meine Kritik an Levi-Strauss macht sich daran fest, dass er den 2. Weltkrieg auf Überbevölkerung zurückführt und ihm die Vernichtunslager allenfalls der Erwähnung wert sind, als sie diese These bestätigen und Zivilisation generell zum Verfall erklären. Eine Rationalisierung par excellence. Zivilisation verfällt halt so und deshalb gabs den Weltkrieg. Da schlägt dann doch die Verwandtschaft der französischen Philosophie zu Heidegger durch. (Siehe dazu Rockmoore, Tom: Heidegger und die französische Philosophie)

Meines Erachtens ist die britische und US-amerikanische Literatur wesentlich fitter und reflektierter im Umgang mit dem Antisemitismus, man wollte dort verstehen und nicht vergessen. In Marwicks (Hg.) Standardwerk zur Hexenforschung: Witchcraft & Sorcery und Parrinders "Witchcraft: European and African" wird Verfolgung zumindest zum Problem erhoben und ein Bewusstsein vom Antisemitismus spiegelt sich auch in anderen, Ortsfremden Vergleichen wieder. Man hat dort den Mut zur kritischen Gesellschaftswissenschaft.
Meines Erachten könnte auch empirische Feldforschung am autoritären Charakter lernen oder ein kritisches Verhältnis zu sich selbst und ihren Objekten entfalten. Was hierzulande propagiert wird ist das esoterisch-sinnfreie Aufgehen im großen Ganzen, die wahlweise Verschmelzung oder absolute Trennung von emisch und ethisch: Ontologie der Ethnologie.

Die Lehrsätze vom Kannibalismus als kolonialistischer Projektion sind altbackener als diese Projektionen selbst es je waren. Sie beinhalten ein gutmenschliches Menschenbild, das kein Übel je kennen wollte. Das Menschenopfer ist keineswegs eine unübliche Erscheinung. Behrend widerspricht dem ja recht genial, indem sie die Frage stellt, warum denn die einen des Kannibalismus beschuldigt wurden, die anderen aber nie>
Ich halte Freuds Totem und Tabu für weniger überholt als den Strukturalismus oder den Funktionalismus. Es lässt sich nach einer kritischen Lektüre sehr gut damit arbeiten. Der Evolutionismus bei Adorno/Horkheimer, den man schon bei Marx vorfindet ist nicht der schlechteste, denn er geht zunächst davon aus, dass Entwicklung allen Menschen möglich sei, und ferner ist er eine logisch-empirische Konstruktion, was ihn zeitloser und sympathischer macht als die phänomenologische Postmoderne.

antisemitismus und ethnologie: jeder stoß ein franzos?

Henry Maine @, Samstag, 01.09.2007, 00:13 (vor 6075 Tagen) @ nichtidentisches

» @"Die jüdischen Opfer waren antisemitisch>"
»
» Leider gibt es auch das und keinem namhaften Antisemitismusforscher stellt
» das ein Rätsel dar.

Welcher namhafte Antisemitismusforscher behauptet denn, dass Lévi-Strauss-Antisemit war>

» Meine Kritik an Levi-Strauss macht sich daran fest,
» dass er den 2. Weltkrieg auf Überbevölkerung zurückführt und ihm die
» Vernichtunslager allenfalls der Erwähnung wert sind, als sie diese These
» bestätigen und Zivilisation generell zum Verfall erklären.

Hast du eigentlich die deutsche oder die französische Ausgabe gelesen>
Poste doch mal das Zitat zur Überbevölkerung.
Meinst du mit der Erwähnung der Vernichtungslager das hier>

"Vor dem Hunger ist keine Gesellschaft moralisch geschützt, denn die Not kann die Menschen dazu treiben, schlechthin alles zu essen, was ihnen unter die Finger kommt, wie dies die Vernichtungslager der jüngsten Vergangenheit zu Genüge bewiesen haben."
Traurige Tropen, S. 355

Was Lévi-Strauss mit Oswald Spengler zu tun haben soll, ist mir schleierhaft.
Allgemein bin ich der tat der Ansicht, dass sich die Ethnologie mit Antisemitismus und NS-Geschichte auseinandersetzen sollte, was sie eigentlich erst ab den achtziger Jahren getan hat (im Gegensatz zu anderen Disziplinen).
Beim Buch "Traurige Tropen" ist aber nunmal so, dass es die "Eingeborenen" Südamerikas zum Gegenstand hat. Der Vorwurf, dass dort der Nationalsozialismus nicht genügend behandelt wird, ist also nicht ganz nachvollziehbar. Du könntest auch Malinowkis "Die Argonauten des westlichen Pazifik" vorwerfen, nicht auf Antisemitismus einzugehen. Das wäre aber absurd.

Auch wenn Lévi-Strauss in einem Zitat Auschwitz verharmlost hätte, dann würde das per se noch nichts über den Wahrheitsgehalt der strukturalistischen Theorie aussagen.

Du meinst, man solle die nazistischen und/oder antisemitischen Völkerkundler wie Hermann Baumann oder Pater Wilhelm Schmidt nicht kritisieren, sondern sich erstmal Funktionalismus und Strukturalismus vornehmen.
Warum diese Theorien notwendig Antisemitismus und "völkisches Denken" beinhalten sollen, bleibt total im Dunkeln. Ist "Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft" ein zweites "Mein Kampf">
Gerade bei Émile Durkheim, Marcel Mauss und Claude Lévi-Strauss, die sich z.T. auch aktiv gegen Antisemitismus und Rassismus engagiert haben, erscheint das etwas aberwitzig.

Nur am Rande:
Die Ethnologie hat vielleicht auch etwas zur Holocaustforschung beigetragen.
Daniel Goldhagen benutzt in "Hitler's Willing Executioners" Clifford Gertzens Methode der "Dichten Beschreibung".

» Eine
» Rationalisierung par excellence.

Ist der 2. Weltkrieg unerklärbar> Wenn ja, dann kann es gar keine Forschung dazu geben.

» Zivilisation verfällt halt so und deshalb
» gabs den Weltkrieg.

Das ist in der Tat eine falsch Erklärung, ist das aber nicht genau dasselbe wie der "Rückfall in die Barbarei" von dem du sprichst.

» Da schlägt dann doch die Verwandtschaft der
» französischen Philosophie zu Heidegger durch. (Siehe dazu Rockmoore, Tom:
» Heidegger und die französische Philosophie)

Die Existenzphilosophie von Sartre und einige Postmoderne beziehen sich auf Heidegger. Ich glaube aber nicht, dass in diesem Buch (das ich nicht kenne) Lévi-Strauss vorkommt. Der hat mit beiden Strömungen nichts zu tun.

Ich bin im Übrigen überhaupt kein Anhänger von Lévi-Strauss oder dem Strukturalismus, die ich beide wirklich für zum Großteil überholt finde, du machst ihnen nur lauter Vorwürfe, die nicht im geringsten zutreffen.

» Meines Erachtens ist die britische und US-amerikanische Literatur
» wesentlich fitter und reflektierter im Umgang mit dem Antisemitismus, man
» wollte dort verstehen und nicht vergessen. In Marwicks (Hg.) Standardwerk
» zur Hexenforschung: Witchcraft & Sorcery und Parrinders "Witchcraft:
» European and African" wird Verfolgung zumindest zum Problem erhoben und
» ein Bewusstsein vom Antisemitismus spiegelt sich auch in anderen,
» Ortsfremden Vergleichen wieder. Man hat dort den Mut zur kritischen
» Gesellschaftswissenschaft.

Das liegt aber am Thema des Buches, weil es ja wirklich eine Verbindung zwischen der europäischen Hexenverfolgung und Antijudaismus gibt (Juden wie Hexen haben Hakennasen, stehen mit dem Teufel im Bund, begehen Kindsmord usw.). Am Wort "Hexensabbat" erkennt man noch den Zusammenhang.
Du kannst aber nicht fordern, dass jede ethnologische Veröffentlichung Antisemitismus zum Thema haben soll, weil nicht die ganze Welt aus Antisemitismustheorien heraus erklärt werden kann.

Ich lese zwar meistens auch lieber ethnologische Bücher aus dem englischsprachigen Raum, aber die Einteilung in dumme französische und deutsche Ethnologie im Gegensatz zur klugen us-amerikanischen und britischen finde ich dann doch etwas zu simpel.
Es ist doch besser jeden Autor für sich zu bewerten.
Aus den USA kommen sehr anregende Ansätze (z.B. Postcolonial Studies), leider ist dort aber auch die Soziobiologie unheimlich beliebt.

» Meines Erachten könnte auch empirische Feldforschung am autoritären
» Charakter lernen oder ein kritisches Verhältnis zu sich selbst und ihren
» Objekten entfalten.

Dieses kritische Verhältnis wird doch zumindest seit der selbstreflexiven Wende eingefordert.

» Was hierzulande propagiert wird ist das
» esoterisch-sinnfreie Aufgehen im großen Ganzen, die wahlweise
» Verschmelzung oder absolute Trennung von emisch und ethisch: Ontologie der
» Ethnologie.

Emisch und etisch meinst du wohl>
Wenn sowohl die Trennung als auch die Verschmelzung falsch ist, was ist dann richtig>
Kannst du ein Beispiel für die Ontologie der Ethnologie geben>

»
» Die Lehrsätze vom Kannibalismus als kolonialistischer Projektion sind
» altbackener als diese Projektionen selbst es je waren.

Wie meinst du das> Die Projektionen sind keine Projektion, sondern Kannibalismusberichte sind immer wahr>
Oder: es sind schon Projektionen, nur keine kolonialistischen>

» Sie beinhalten ein
» gutmenschliches Menschenbild, das kein Übel je kennen wollte.

So könntest du auch für die Richtigkeit der Theorie über den "jüdischen Kindsmord" plädieren.
Kannibalismus muss man schon irgendwie beweisen können.

» Das
» Menschenopfer ist keineswegs eine unübliche Erscheinung.

Kannibalismus und Menschenopfer sind ja nicht unbedingt dasselbe.
Kommt drauf an, wieweit man den Begriff des Menschenopfers fasst.
Also "human sacrifice" in der Art wie es die Azteken betrieben, wird man heutzutage nur noch in Einzelfällen finden.

» Behrend
» widerspricht dem ja recht genial, indem sie die Frage stellt, warum denn
» die einen des Kannibalismus beschuldigt wurden, die anderen aber nie>

Wem widerspricht sie>

Ja, genau. Warum hat man Kannibalismus immer nur "den Anderen", also den Juden und den "Wilden" zugeschrieben>

Ich zitiere mal was aus dem Buch "The Man eating Myth: Anthropology & Anthropophagy".

"These accusations [Juden würden Christenknaben opfern und iher Blut trinken] were so numerous, widespread and persistent that in this century a non-jewish German scholar (Strack 1909) who wrote on this phenomenon actually entitled one chapter of his book "Is the Use of Christian Blood required or allowed for any Rite whatever of the Jewish Religion>" This is followed by a sober assessment of Jewish dietary, including the prohibition on the use of animal blood, which the author contends would also hold valid for the vital fluid of Christians. Today, this question is banished from our consciousness, and beliefs such as these are interpreted as regrettable temporary lapses into prejudice. (...)
In contrast to this critical position, the idea Africans, Polynesians, New Guineans, American Indians are or were maneaters until contact with the benefits of European influence is assumed to be in the realm of demonstrated fact. To recapitulate the beliefs of this sort about representatives of our own cultural tradition are dismissed out of hand as racism and prejudice, while similar notions about others already defined as categorically different from us are treated as facts worthy of further scholarly consideration. Concretely, the widespread African belief that Europeans are cannibals or use human blood for evil intent is interpreted as an indication of African ignorence."

antisemitismus und ethnologie: jeder stoß ein franzos?

nichtidentisches ⌂ @, Mittwoch, 03.10.2007, 17:51 (vor 6042 Tagen) @ Henry Maine

» Welcher namhafte Antisemitismusforscher behauptet denn, dass
» Lévi-Strauss-Antisemit war>

Keiner, soweit ich weiß. Und auch ich würde das nicht behaupten. Ich bin kein Anhänger der These vom "strukturellen Antisemitismus", weil das häufig zu verkürzten Gleichsetzungen und dem Abtasten von Oberflächen ohne Prüfung der Realität führt. Dennoch gibt es ideologische Segmente, die etwa mit "deutscher Ideologie" zu fassen wären und denen der Antisemitismus von je aufsitzt. Darunter ein romantisch-völkischer Konservatismus, eine romantische Zivilisationskritik, die ich bei Leví-Strauss durchaus ausmachen würde. Anküpfungspunkte für Alain de Benoist nicht von ungefähr.

» Hast du eigentlich die deutsche oder die französische Ausgabe gelesen>
» Poste doch mal das Zitat zur Überbevölkerung.

1. zentraler "Fauxpas"

"außer in den Konzentrationslagern sind Menschen wohl niemals in diesem Maße mit Schlachtvieh gleichgesetzt worden." (S. 119)

Außen vor bleibt, dass hier Menschen aus ihrem innersten Antrieb freiwillig hinkommen. Dass in Vernichtungslagern nicht einmal "Schlachtvieh" trifft, denn es wurde mehr investiert in die Vernichtung, als man noch aus den Menschen an Goldzähnen herausdrosch. Auf S. 120 Spenglersche Dekadenztheorien.
Hier das zur Überbevölkerung:
"Freiheit ist [...] vielmehr das Ergebnis einer Objektiven Beziehung zwischen dem Individuum und dem Raum den es einnimmt, zwischen dem Verbraucher und den Ressourcen, über die er verfügt. Dabei steht nicht einmal fest, ob das eine das andere ausgleicht, oder ob eine reiche, aber zu dicht bevökerte Gesellschaft sich an dieser Dichte vergiftet wie jene Mehlwürmer, denen es gelingt, durch ihre Giftstoffe einander auszurotten, noch ehe es an Nahrung mangelt." (S. 140) Und im Anschluss:
"Dieser große Mißerfolg Indiens ist uns eine Lehre: leben in einer Gesellschaft zu viele Menschen, so kann sie, trotz des Genies ihrer Denker, nur weiterbestehen, wenn sie Knechtschaft ausschwitzt. [...] In diesem Licht gesehen, kann ich die Ereignisse, die seit zwanzig Jahren auf der Bühne Europas stattfinden und ein Jahrhundert resümieren, in dessen Verlauf seine Bevölkerung sich verdoppelt hat, nicht mehr als Folge der Verirrung eines Volks, einer Doktrin oder einer Gruppe von Menschen sehen." (S. 141)

Genau das ist der Erdkundebuchinhalt 8.ter Klassen wie auch der Malthusianismus, den Marx zerlegte: Knechtschaft und Armut seien aus Überbevökerung entstanden. Dieses Element bringt neurechte Denker dazu, die Atombombe wie Herbert Gruhl als möglichen Segen gegen die allseits drohende Überbevölkerung zu wähnen.

» Beim Buch "Traurige Tropen" ist aber nunmal so, dass es die "Eingeborenen"
» Südamerikas zum Gegenstand hat. Der Vorwurf, dass dort der
» Nationalsozialismus nicht genügend behandelt wird, ist also nicht ganz
» nachvollziehbar. Du könntest auch Malinowkis "Die Argonauten des
» westlichen Pazifik" vorwerfen, nicht auf Antisemitismus einzugehen. Das
» wäre aber absurd.

Nein, denn erstens behandelt er nur auf etwa einem Drittel des Buches überhaupt Südamerika, der Rest ist Indien und allgemeinphilosophischen Überlegungen gewidmet und zweitens mache ich ihm nicht zum Vorwurf, den NS "nicht genügend zu behandeln", sondern ihn zu verzerren hin zu einem logische-strukturellen Problem der Überbevölkerung oder der "statischen Gesellschaften." Da geht LS wirklich (entgegen anderen weitaus durchdachteren Überlegungen an anderer Stelle) das Besondere im Allgemeinen auf.

» Du meinst, man solle die nazistischen und/oder antisemitischen
» Völkerkundler wie Hermann Baumann oder Pater Wilhelm Schmidt nicht
» kritisieren, sondern sich erstmal Funktionalismus und Strukturalismus
» vornehmen.
» Warum diese Theorien notwendig Antisemitismus und "völkisches Denken"
» beinhalten sollen, bleibt total im Dunkeln. Ist "Die elementaren
» Strukturen der Verwandtschaft" ein zweites "Mein Kampf">
» Gerade bei Émile Durkheim, Marcel Mauss und Claude Lévi-Strauss, die sich
» z.T. auch aktiv gegen Antisemitismus und Rassismus engagiert haben,
» erscheint das etwas aberwitzig.

Das Engagement gegen das Offensichtliche schützt nicht über den Irrtum über das Abstrakte. Sonst könnte man jedem Antirassist seinen notorischen Antisemitismus verzeihen, den er als Antizionismus vor sich selbst maskiert.

» Ist der 2. Weltkrieg unerklärbar> Wenn ja, dann kann es gar keine
» Forschung dazu geben.

Doch. Es gibt ja auch eine Astrophysik, obwohl sicherlich niemals jemand den Sinn des Universums verstehen wird. Auschwitz zu verstehen, heißt es zu rationalisieren. Das Unbegreifliche erklären zu wollen, es darzustellen und so viel als mögliche Ursachen aufzuzeigen heißt noch nicht, ein Verständnis dessen zu behaupten. Es bleibt bei allen Erklärungsversuchen der Wahnsinn mitzudenken.

» Die Existenzphilosophie von Sartre und einige Postmoderne beziehen sich
» auf Heidegger. Ich glaube aber nicht, dass in diesem Buch (das ich nicht
» kenne) Lévi-Strauss vorkommt. Der hat mit beiden Strömungen nichts zu tun.

Vermittelt. Levi-Strauss kommt ansatzweise vor. An einer anderen Stelle eines Interviews mit Levi-Strauss werden die Kontakte zu Heideggerianern der übrigen Strukturalisten erwähnt. Das macht es noch nicht verwerflich, einen Autor zu verwenden. Jedoch sollte es als Strömung mitgedacht werden und subtile Einflüsse haben sicherlich stattgefunden, welcher Art wäre zu erörtern - Wie Strukturalismus sich generell zur Ontologie verhält müsste ich hart arbeiten, um die philosophischen Dimensionen zu klären. LS ist nicht dumm, das möchte ich keinesfalls behaupten. In weiten Teilen trifft er sich mit der kritischen Theorie. In vielen anderen auf manchmal mehr, manchmal weniger exzellente Weise nicht. In wenigen Stellen treffen Abstürze ein, die nicht hinzunehmen sind - und Kritik verdienen.

» Du kannst aber nicht fordern, dass jede ethnologische Veröffentlichung
» Antisemitismus zum Thema haben soll, weil nicht die ganze Welt aus
» Antisemitismustheorien heraus erklärt werden kann.

Ein weitestgehendes Verständnis des Antisemitismus ist auch ein weitgehendes Verständnis vom Menschen, weil der Antisemitismus das gesellschaftliche Rätsel der Moderne schlechthin ist. Insofern ist es fatal, ihn zu übersehen oder als randständigen Extremismus zu verharmlosen. Der Durchschnitt der deutschen Gesellschaft ist latent antisemitisch. Das hat Rückwirkungen auf die Forschung.

» Ich lese zwar meistens auch lieber ethnologische Bücher aus dem
» englischsprachigen Raum, aber die Einteilung in dumme französische und
» deutsche Ethnologie im Gegensatz zur klugen us-amerikanischen und
» britischen finde ich dann doch etwas zu simpel.
» Es ist doch besser jeden Autor für sich zu bewerten.

Das ist sicherlich richtig. Da habe ich zu vorschnell vereinfacht.

» Emisch und etisch meinst du wohl>

Verflixt...


» Ja, genau. Warum hat man Kannibalismus immer nur "den Anderen", also den
» Juden und den "Wilden" zugeschrieben>

Hat man nicht. Die Menschenfresser-Ache behaupten von sich selbst recht stolz Menschen aufgegessen zu haben und die Guarani fraßen wohl laut Münzel ca 60000 Indianer auf dem Chaco auf - was sie selbst freimütig bestätigten. Kannibalismus ist keine unübliche und nicht notwendig eine "skandalöse" Erscheinung. Ich finde da Münzels Erklärung bei einigen Ethnien recht interessant, dass Kannibalismus als "Ehrerbietung" stattfand: Den Feind nicht zu verspeisen hieße ihn für minderwertig zu erklären. Inwieweit Kannibalismus "skandalisiert" wird, gibt Aufschluss über die Projektionen der jeweiligen Gesellschaft. Ab wann ein Mensch kannibalisiert wird, ist doch relevant, die afrikanischen Menschenfleischjäger erregten bei ihren Opfern oft grenzenloses Entsetzen, das ein menschliches und nachvollziehbar ist: Menschen werden zu Jagdwild gemacht. Das rituelle Verspeisen der im Kampf Gefallenen nach der Schlacht dagegen ist wohl kaum ein Zeichen von "besonderer" Rückständigkeit - die Eucharistie ist nichts wesentlich anderes.

antisemitismus und ethnologie

Henry Maine @, Samstag, 01.09.2007, 00:23 (vor 6075 Tagen) @ nichtidentisches

» Der Evolutionismus bei
» Adorno/Horkheimer, den man schon bei Marx vorfindet ist nicht der
» schlechteste,

Der Evolutionismus in der Dialektik der Aufklärung geht nicht auf Marx zurück, dieser wird nicht ein einziges Mal zitiert, sondern auf die ethnologischen Quellen (häufig aus dem 19.Jhdt.) und ein bisschen auf Freud.


» denn er geht zunächst davon aus, dass Entwicklung allen
» Menschen möglich sei,

Diesen Satz hast du sicher in einem Einführungsbuch in die Ethnologie gelesen:
"So schlimm waren die Evolutionisten gar nicht, denn immerhin...".
Ja, mag sogar sein, nur macht das die evolutionistischen Annahmen auch nicht richtiger.

Willst du behaupten es gäbe -aktuell- entwickelte und nicht-entwickelte Menschen>


» und ferner ist er eine logisch-empirische
» Konstruktion,

Die "Dialektik der Aufklärung" ist empirisch> Bist du sicher>
Haben Horkheimer und Adorno die "Urgeschichte der Subjektivität" teilnehmend beobachtet>


» was ihn zeitloser und sympathischer macht als die
» phänomenologische Postmoderne.

Sympathie ist kein Massstab für richtig oder falsch.
Wenige Wahrheiten/Theorie sind zeitlos, sie hat immer einen Zeitkern.

antisemitismus und ethnologie

nichtidentisches ⌂ @, Mittwoch, 03.10.2007, 18:06 (vor 6042 Tagen) @ Henry Maine

» » Der Evolutionismus bei
» » Adorno/Horkheimer, den man schon bei Marx vorfindet ist nicht der
» » schlechteste,
»
» Der Evolutionismus in der Dialektik der Aufklärung geht nicht auf Marx
» zurück, dieser wird nicht ein einziges Mal zitiert, sondern auf die
» ethnologischen Quellen (häufig aus dem 19.Jhdt.) und ein bisschen auf
» Freud.
»
Sage ich doch. "den man schon bei Marx vorfindet". Mehr noch bei Engels, aber egal. Und auch für meinen Geschmack zitiert Adorno/Horkheimer verdammt selten (was gewisse ökonomische Gründe hat) und beide rutschen gerade in der DdA häufig in einseitige Romantizismen ab.


» » denn er geht zunächst davon aus, dass Entwicklung allen
» » Menschen möglich sei,
»
» Diesen Satz hast du sicher in einem Einführungsbuch in die Ethnologie
» gelesen:
» "So schlimm waren die Evolutionisten gar nicht, denn immerhin...".
» Ja, mag sogar sein, nur macht das die evolutionistischen Annahmen auch
» nicht richtiger.
» Willst du behaupten es gäbe -aktuell- entwickelte und nicht-entwickelte
» Menschen>

Nein, in keinem mir bekannten Einführungsbuch der Ethnologie wird der Evolutionismus nennenswert gewürdigt. Kohl macht das zum Beispiel sehr tendenziös: Das ist alles Humbug und überholt. Warum oder wie legt er nicht offen. Und ich stimme der evolutionistischen These zu, dass es Entwicklungsstufen gibt. Wenn man annimmt, dass ein gesellschaftliches Sein ein Bewusstsein mitbestimme, dann ist die logische Konstruktion: mit der Erfindung der Töpferei oder des Pfluges treten einschneidende gesellschaftliche Umwälzungen auf, die auch Rückwirkungen auf Herrschaftsstrukturen und somit religiöse Vorstellungen haben. Und das ist prinzipiell nicht falsch, es muss lediglich in einigen Fällen differenziert und um andere Faktoren erweitert werden. Die Entwicklungsstufen zur moralischen oder rassistischen Bewertung auszuschreiben ist eine Sache, gegen die der Evolutionismus sich ja eher gewehrt hat. Er knüpft einen gesellschaftlich-intellektuellen Zustand an Materialität. Der Rassismus leitet aus diesem Zustand eine Materialität ab, die überdies nicht nachweisbar ist, und dreht das dann um: weil Afrikaner in Buschhütten wohnen, gilt ihnen der schwarze Mensch als rückschrittlich und ergo ist der moderne Schwarze auch im Innersten ein Buschneger. Was die pauperistischen Slumbaracken von Buschhütten unterscheidet, wissen sie nicht zu benennen, weil sie das nicht sehen wollen.


» Die "Dialektik der Aufklärung" ist empirisch> Bist du sicher>
» Haben Horkheimer und Adorno die "Urgeschichte der Subjektivität"
» teilnehmend beobachtet>

Wenn man annimmt, dass die Urgeschichte prinzipiell im Kind und gesellschaftlich wiederkehrt, ja, wenn sie von der "regressiven Tendenz" der Aufklärung schreiben und vom Rückfall in die Barbarei, den sie erleben mussten. Ansonsten stimme ich zu, dass die DdA einen eindeutigen empirischen Mangel hat.

antisemitismus und ethnologie

Henry Maine @, Samstag, 01.09.2007, 00:40 (vor 6075 Tagen) @ nichtidentisches

» Ich halte Freuds Totem und Tabu für weniger überholt als den
» Strukturalismus oder den Funktionalismus.

Wie bereits erwähnt, bezeichnet sich kaum noch jemand als Funktionalist oder Strukturalist und ich halte das selbst auch für ziemlich überholt, u.a. deshalb weil sich evolutionistische Ideen auch noch bei Durkheim und Lévi-Strauss finden. Dennoch kann man "Die elementaren Formen des religiösen Lebens" oder "Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft" noch mit einigem Gewinn lesen, da nicht alles davon obsolet ist. Im Gegensatz zu "Totem und Tabu".
Sogar der Herausgeber Mario Erdheim, der immerhin mal eine Professur für Ethnopsychoanalyse inne hatte, schreibt im Vorwort:


Die vernichtende ethnologische Kritik ist nicht abweisbar, und es ist
klar, daß Totem und Tabu nicht mehr als Beitrag zur Ethnolo-
gie fremder Völker betrachtet werden kann.

P.S. Ich schreibe demnächst noch etwas über das evolutionistische Paradigma und seinen Einfluss auf die "Dialektik der Aufklärung".

antisemitismus und ethnologie

nichtidentisches ⌂ @, Mittwoch, 03.10.2007, 18:13 (vor 6042 Tagen) @ Henry Maine

» Wie bereits erwähnt, bezeichnet sich kaum noch jemand als Funktionalist
» oder Strukturalist und ich halte das selbst auch für ziemlich überholt,
» u.a. deshalb weil sich evolutionistische Ideen auch noch bei Durkheim und
» Lévi-Strauss finden. Dennoch kann man "Die elementaren Formen des
» religiösen Lebens" oder "Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft"
» noch mit einigem Gewinn lesen, da nicht alles davon obsolet ist. Im
» Gegensatz zu "Totem und Tabu".

Oho, eine steile These! Wie möchte man sich denn Begriffe wie "Mana" oder das Verhältnis von Infantilität und Neurose sonst erklären>

» Sogar der Herausgeber Mario Erdheim, der immerhin mal eine Professur für
» Ethnopsychoanalyse inne hatte, schreibt im Vorwort:
»
»
» Die vernichtende ethnologische Kritik ist nicht abweisbar, und es ist
» klar, daß Totem und Tabu nicht mehr als Beitrag zur Ethnolo-
» gie fremder Völker betrachtet werden kann.

Ja, und diese "vernichtende Kritik" entpuppt bei genauerer Betrachtung als 10-seitiges Pamphlet von Kroeber, in dem er wenig Richtiges und noch weniger Unangreifbares erzählt: von einer "stichhaltigen" Widerlegung kann keine Rede sein, von einer anregenden Kritik schon. Ich habe mich über Erdheims oberflächliches und schon auf den ersten Blick als inhaltlich widersprüchlich erkennbares Vorwort geärgert. Wirklich überzeugend ist das nicht, kaum ein Argument sitzt und Freud in seinen skeptischsten, selbstkritischst eingeführten Thesen zu widersprechen und darauf eine Fundamentalkritik aufzubauen ist mehr als billig. Freud hat stets ein Scheitern mitgedacht und formuliert die "Urvaterthese" als notwendig falsche Hilfskonstruktion eines über Millionen von Jahren gestreuten Umbruchs in archaischen Gesellschaften - Kroeber macht soweit ich mich recht erinnere daraus den Vorwurf einer faktischen Rede.

Lévi-Strauss

Henry Maine @, Samstag, 01.09.2007, 00:53 (vor 6075 Tagen) @ nichtidentisches

"Die Menschheit wird als ein einheitliches, mit
sich selbst identisches Wesen gesehen, nur daß sich diese
Einheitlichkeit und Identität nicht anders als schrittweise
verwirklichen kann und daß die Verschiedenheit der Kul-
turen lediglich die Momente eines Prozesses illustriert,
der eine dahinterliegende Realität verbirgt oder deren
Manifestation verzögert.
"
(Lévi-Strauss "Rasse und Geschichte")

"Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen war, und etwas davon wird noch in jeder Kindheit wiederholt."
(Adorno/Horkheimer "Dialektik der Aufklärung)

Wie man sieht, hat Lévi-Strauss sicher noch mehr mit Horkheimer & Adorno gemein als mit Heidegger & Spengler.

"Rasse und Geschichte" entstand im Auftrag der UNESCO für ihre Kampagne gegen Rassentheorien und Rassismus.
Ich persönlich halte diese Veröffentlichung allerdings für wenig brauchbar, da Differenzen zwischen Menschen nicht hinterfragt, sondern betont werden.

Lévi-Strauss

nichtidentisches ⌂ @, Mittwoch, 03.10.2007, 18:19 (vor 6042 Tagen) @ Henry Maine

» "Die Menschheit wird als ein einheitliches, mit
» sich selbst identisches Wesen gesehen, nur daß sich diese
» Einheitlichkeit und Identität nicht anders als schrittweise
» verwirklichen kann und daß die Verschiedenheit der Kul-
» turen lediglich die Momente eines Prozesses illustriert,
» der eine dahinterliegende Realität verbirgt oder deren
» Manifestation verzögert.
"
» (Lévi-Strauss "Rasse und Geschichte")
»
» "Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der
» identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen
» war, und etwas davon wird noch in jeder Kindheit wiederholt."
» (Adorno/Horkheimer "Dialektik der Aufklärung)

»
» Wie man sieht, hat Lévi-Strauss sicher noch mehr mit Horkheimer & Adorno
» gemein als mit Heidegger & Spengler.
»
» "Rasse und Geschichte" entstand im Auftrag der UNESCO für ihre Kampagne
» gegen Rassentheorien und Rassismus.
» Ich persönlich halte diese Veröffentlichung allerdings für wenig
» brauchbar, da Differenzen zwischen Menschen nicht hinterfragt, sondern
» betont werden.

Dito. Es ist eine recht einfache, aber meistenteils bestechende Kritik am Ethnozentrismus, die in weiten Teilen trifft. Über Rassismus taucht da wenig auf. Heidegger und Spengler haben auf ihre Weise auch viel mit Adorno/Horkheimer gemein, im kleinen Unterschied entsteht oft das Große. Siehe dazu: "Spengler nach dem Untergang." von T.W. Adorno in Prismen.
Levi-Strauss denkt aber gerade die Kulturen als identische, die kalte oder heiße Systeme bilden und besser in ihrer Vielfalt zu differenzieren seien, um ihren Wert zu erhalten. Da ist schon viel Ethnopluralismus drin.

Danke übrigens für die angenehme und engagierte Diskussion bis dahin! Freut mich sehr!

Lévi-Strauss

Nichtidentisches ⌂ @, Montag, 28.06.2010, 19:39 (vor 5043 Tagen) @ nichtidentisches

antisemitismus und ethnologie

Florian ⌂ @, Berlin, Montag, 16.06.2008, 19:43 (vor 5785 Tagen) @ leia

Hallo,

ich promoviere am Zentrum für Antisemitismusforschung in Berlin zum Thema "Von der 'Volksseele' zur 'Rassenhygiene'. Antisemitismus und völkisches Denken in der Ethnologie".

Ein Kurzexpose könnt ihr hier finden: http://www.eisheuer.net/>page_id=4

Wenn jemand von euch Interesse haben sollte sich zu dem Thema auszutauschen, würde ich mich riesig freuen!

Liebe Grüße

Florian

antisemitismus und ethnologie

Martin Henking ⌂ @, München, Samstag, 05.02.2011, 22:22 (vor 4821 Tagen) @ Florian

Hallo,
wer sich für Antisemitismus in der Antike interessiert, erfährt mehr dazu auf meinem Blog: http://ethnologie.blog.de/2010/03/12/antike-judenfeindschaft-beispiel-tacitus-8164144/
Ich bin Ethnologe und beschäftige mich seit 1999, unter anderem auch in meiner Magisterarbeit, mit Tacitus und der antiken Ethnologie im Allgemeinen.
Viel Spaß beim Lesen,
Ihr Martin Henking

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