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Ethnologe: "Deutscher WM-Patriotismus positiv"

by lorenz on Jul 4, 2006 in Wir und die Anderen, Sport, Deutschland, Oesterreich, Schweiz

In ein paar Stunden werden wieder die deutschen Fahnen geschwenkt - auch in Oslo (siehe Bild vom Spiel gegen Argentinien). Anders Deutsch-Bloggerin Urmila Goel ist vom Fahnenschwenken nicht angetan. Obwohl ich dem WM-Enthusiasmus nicht so kritisch gegenueberstehe, werde ich im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Einwanderern in Norwegen wieder sitzenbleiben, wenn die Deutschland-Hymne ertoent und nicht mitsingen (aber dennoch die deutsche Mannschaft anfeuern).

Urmila Goel schreibt, die Medien "überschlagen sich geradezu, ob der friedlichen WM und dem positiven Fahnenschwenken". Kuerzlich war auch hier auf antropologi.info zu lesen World Cup Enthusiasm:"Need for a collective ritual, not nationalism".

Der Deutschlandfunk hat nun den Berliner Ethnologen Wolfgang Kaschuba zum deutschen WM-Patriotismus befragt. Kaschuba meint, die meisten Menschen freuten sich über die deutsche Mannschaft, sie seien aber nicht nationalistisch eingestellt - und Neonazis haben da keine Chance:

Also die deutsche Fahne wurde in Kreuzberg von türkischen Lieferfahrzeugen zunächst mal hoffähig gemacht, und dann trauten sich die Deutschen natürlich auch allmählich.

(...)

Es sind keineswegs nur sozusagen nationalistische oder nationale Bedürfnisse, da mischt sich vieles. Wenn Sie genau hinschauen, wie gefeiert wird, da ist natürlich ein Stück Party mit drin, Eventkultur, es gibt sehr viele Großereignisse, die von den Menschen aufgesucht werden, und in dieser Zeit des Individualismus gibt es eben auch ganz offenbar diese andere Seite, diesen Wunsch nach Gemeinschaftserlebnissen, die nicht zu tief sein sollen, nicht zu lange dauern sollen, aber die man sucht.

(...)

Es gibt gerade auch in dieser Fankultur und in diesen Formen von Begeisterung eben ein deutliches Abgehen sozusagen von diesen harten und gröhlenden Formen nur hin eben auch zu spielerischen und zum Teil auch ironischen. Wer die deutsche Fahne trägt, hat nicht immer sozusagen dieses Stammtischdenken dahinter, sondern macht es zum Teil auch ganz spielerisch, und manche der Fahnen sind da reine Fantasieprodukte.

(...)

Ein ganz interessanter Befund, den ja auch schon einige Medien schon angestellt haben, die Neonazis bekommen in dieser patriotischen Welle kaum einen Fuß auf den Boden. Warum? Weil es offenbar eben nicht ihr Nationalismus ist, also einer, der aggressiv sich gegen andere wendet.

>> weiter beim Deutschlandfunk

Den Vogel schiesst die fahnenverhuellte Claudia Schiffer ab: "Das Topmodel zeigt, wie sexy Germany ist. Um Investitionslust zu wecken", meldet die Sueddeutsche.

SIEHE AUCH:

Anders deutsch: Fahnen schwenken (mit vielen guten Links!)

anders deutsch: Aggressiver Nationalismus bei der WM

Anders Deutsch: Trauer und Jubel: Ich verstehe nach wie vor nicht, warum alle diesen sogenannten 'positiven Patriotismus' so positiv finden

World Cup: Cultural representations and why patriotism is not healthy

World Cup Enthusiasm: "Need for a collective ritual, not nationalism"

Is the Football World Cup a peacemaker?

Frauen und Fussball: Warum sich die Geschlechterklischees trotzdem halten

Fussball: Keineswegs nebensächlich für Ethnologen

"Faszination Fußball" im Hamburger Völkerkundemuseum -ueber diese Ausstellung berichtet sogar die Zeitung The National (Papua New Guinea)

Ethnologe Kurt Wachter: Von "Othello" bis Milla - Fußball in Afrika

Marc Auge: Ein Ethnologe bei der Fußball-WM

Aus der Halbdistanz - Fussballbiografien und Fussballkulturen heute (Studienprojekt des Instituts für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität Berlin)

Blickpunkt Fussball-WM: eine Form von Religion?

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