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Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (DGV) ist im Gange

von lorenz am Okt 2, 2009 in Ethnologie allgemein

Fast 500 Ethnologinnen und Ethnologen aus dem In- und Ausland sind nach Frankfurt gereist, um bei der 33. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde das Thema “Kulturelle Aneignungen: Anpassung - Anverwandlung - Camouflage” zu diskutieren. Vor wenigen Stunden ist die mit Spannung erwartete Diskussionsveranstaltung „Ethnologen in Krisen- und Kriegsgebieten: Ethische Aspekte eines neuen Berufsfeldes“ zuende gegangen.

Es sind noch keine Presseberichte erschienen, gebloggt wird auch nicht, doch die Ethnofachschaft in Frankfurt ist aktiv am Twittern und hat viele gute Bilder ins Netz gestellt.

Allgemeine Informationen ueber die Tagung gibt die Medienmitteilung und die Tagungs-Webseite

AKTUALISIERUNGEN

Im Laufe der kommenden Woche wird auf dem Blog der Ethnofachschaft Frankfurt ein Bericht ueber die Konferenz erscheinen, meldet die Fachschaft via twitter

Frankfurt zurzeit Mekka der Völkerkundler (Frankfurt-live.com, 3.10.09)

SIEHE AUCH:

Der Volkskunde-Kongress bloggt

Conference Podcasting: Anthropologists thrilled to have their speeches recorded

What’s the point of anthropology conferences?

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3 Kommentare

Kommentar von: Benni

Benni

Hallo,
leider konnte ich nicht anwesend sein, aber interessant anzumerken ist vielleicht dass Volker Harms’ Antrag auf den Ausschluss von Geheimdienstmitarbeitern aus der DGV zum inzwischen dritten Mal abgelehnt wurde. Dieses Jahr anscheinend weil u.a. eine Eindeutige Definition von “Geheimdiensten” fehlte…
kann jemand der dabei war konkretere Informationen darüber und über die Podiumsdiskussion mit Harms, den Leuten von der Ethikkommission und den Vertretern der Bundeswehr etc. berichten?

05.10.09 @ 14:46

Kommentar von: lorenz

admin

Aha interessant. Weisst Du, wie sich die Ethnologen-Organisationen in anderen Laendern dazu verhalten?
Wuerde auch gern mehr ueber Diskussion hoeren!

06.10.09 @ 03:13

Kommentar von: Benni

Benni

Den neuesten Informationen zu Folge wurde der Antrag abgelehnt weil die Formulierung „Geheimdienste“ von Harms ad-hoc in „Informationsdienste“ geändert werden sollte. Einer Änderung wurde nicht zugestimmt, der Antrag in Folge abgelehnt.

Was die Position der einzelnen Organisationen angeht, so ist das eine längere Debatte: Ich würde mal damit anfangen zu sagen, dass sich die meisten Ethno-Organisationen nicht per se gegenüber Geheimdiensten abschotten, sondern vor allem gegen die Geheimhaltung der Erforschung und den daraus gewonnenen Daten gegenüber den Erforschten – ihr Schutz ist allem anderen vorangestellt. Im Detail unterscheiden sich die Positionen natürlich, das aufzuzählen würde jedoch den Kommentar-Status sprengen. Ein, zwei Positionen habe ich gerade kurz nachgeschaut, die kann ich hier darstellen (jedoch ohne Garantie auf Vollständigkeit):

Im AAA Code-of-Ethics steht zB:

“Anthropological researchers should obtain in advance the informed consent of persons being studied, providing information, owning or controlling access to material being studied, or otherwiseidentified as having interests which might be impacted by the research.”

des weiteren:

“(…)Anthropologists have a responsibility to be both honest and transparent with all stakeholders about the nature and intent of their research. They must not misrepresent their research goals, funding sources, activities, or findings. Anthropologists should never deceive the people they are studying regarding the sponsorship, goals, methods, products, or expected impacts of their work.(…)Deliberately misrepresenting one’s research goals and impact to research subjects is a clear violation"of research ethics, as is conducting clandestine research.”

am wichtigsten ist wohl aber:

“In all dealings with employers, persons hired to pursue anthropological research or apply anthropological knowledge should be honest about their qualifications, capabilities, and aims. Prior to making any professional commitments, they must review the purposes of prospective employers, taking into consideration the employer’s past activities and future goals. In working for governmental agencies or private businesses, they should be especially careful not to promise or imply acceptance of conditions contrary to professional ethics or competing commitments.”

Im Falle der Britischen ASA sieht es ähnlich aus. Auch sie sieht vor ihre Informanten zu schützen:

“As far as is possible researchers should anticipate potential threats to confidentiality and anonymity”

,

ferner:

“Research findings, publications and, where feasible, data should be made available in the country where the research took place. If necessary, it should be translated into the national or local language. Researchers should be alert, though, to the harm to research participants, collaborators and local colleagues that might arise from total or even partial disclosure of raw or processed data or from revelations of their involvement in the research project;”
(…)

“Where the sharing with colleagues of raw, or even processed, data or their (voluntary or obligatory) deposition in data archives or libraries is envisaged, care should be taken not to breach privacy and guarantees of confidentiality and anonymity, and appropriate safeguards should be devised.”

Unter “Open research” steht:

“Anthropologists owe a responsibility to their colleagues around the world and to the discipline as a whole not to use their anthropological role as a cover for clandestine research or activities.”

Und zum Schluss:

„Considering conflicting interests: Social inquiry is predicated on the belief that greater access to well-founded information will serve rather than threaten the interests of society“: “Nonetheless, in planning all phases of an inquiry, from design to presentation of findings, anthropologists should also consider the likely consequences for the wider society, groups within it, and possible future research, as well as for members of the research population not directly involved in the study and the immediate research participants”

Auf der Tagung in Frankfurt wurde nun die sogenannte Frankfurter (Ethik-)Erklärung verabschiedet. Sie zielt vor allem auf die Selbstreflexion des Forschers ab, weniger auf eine Art “Bestimmung” die von Seiten der Organisation (in diesem Fall die DGV) ausgehen sollte. Die Erklärung stellt einige Punkte dar, in denen ethische Konflikte auftauchen können, diese sind jedoch „als eine Anregung zur differenzierten Auseinandersetzung mit ethischen Dilemmata der ethnographischen Tätigkeit zu verstehen und werden deshalb bewusst als Fragen formuliert“.

Ich gebe hier mal die in der Erklärung genannen „Ethischen Aspekte ethnographischen Arbeitens“ wieder:

1. Wird der dokumentierten Kultur und Gesellschaft durch die Themen, Methoden und
die Form der Dokumentation ein hinreichender Respekt entgegengebracht?
2. Sind das Schutzbedürfnis und die Interessen der Informanten und anderer Personen,
die als Partner am Prozeß der Dokumentation und Interpretation beteiligt waren, ausreichend
berücksichtigt?
3. Ermöglicht die als Resultat der ethnographischen Arbeit vorgelegte Dokumentation
eine ausreichende Transparenz, um den Prozeß ihrer Entstehung erkennen zu lassen?
Wurde dabei auch die Option eines Feedbacks hinreichend berücksichtigt?
4. In welcher Form wurde die notwendige Reziprozität zwischen den Beteiligten an der
ethnographischen Arbeit hergestellt?
5. Wurde den wissenschaftlichen Prinzipien des Holismus, der Vermeidung von unbewußten
Vorannahmen („Bias“) und der gebotenen Genauigkeit ausreichend Rechnung
getragen?
6. In welchem Maße sind die mit der Dokumentation verfügbaren Einsichten dazu geeignet gegenüber der Öffentlichkeit Stellung zu beziehen? Verpflichten möglicherweise bestimmte Zusammenhänge dazu, die Öffentlichkeit darüber zu informieren?“

Außerdem wird noch kurz unter “Grundlegendes” (4.) auf die Verantwortung des Wissenschaftlers eingegangen:
„Zur Verantwortlichkeit von Ethnologen gehört darüber hinaus die Bereitschaft, die Implikationen und Konsequenzen eigener Forschungspraxis und Forschungsdaten im Blick auf lokale und globale Machtbeziehungen zu klären.“

Einige andere Punkte (zB Punkt 2 unter „Gundlegendes“) haben wohl zu Diskussion geführt, letztendlich hat eine Mehrheit nun aber für diese Ethikerklärung gestimmt.

In “Eine Frage der Ethik? Die Leitlinien der AG Entwicklungsethnologie” schreibt Michael Schönhuth, Mitentwickler der Frankfurter Erklärung, zu den Ethikrichtlinien der „DGV-Arbeitsgemeinschaft zur Entwicklungszusammenarbeit“, dass sich diese auch als “individuelle Selbstverpflichtung, nicht als ethischer Kodex” verstehen. Der Grund auch hier: “Um einen Verhaltenskodex durchzusetzen, bräuchte es eine Institution, die bei Fehlverhalten wirksame Sanktionen aussprechen kann", weil ” (…)die Wirksamkeit von Ethischen Kodizes auch mit ihrer Verbindlichkeit, einem funktionierenden Monitoringsystem und den Sanktions-möglichkeiten zusammen, die beim Missbrauch zur Verfügung stehen (abhängt)".

Um die Frage von oben nochmal in Kürze zu beantworten: Auch die Britische ASA ( siehe “A statement on ethics from the Chair” erklärt “the Association does not and will not act as a tribunal for judging whether individuals have committed some infraction of our codes".

Gleiches gilt für die AAA: „The purpose of this Code is to foster discussion and education. The American Anthropological Association (AAA) does not adjudicate claims for unethical behavior.“ (Preambel der Code-of-Ethics 2009)

Die hieraus erfolgende Problemstellung der fehlenden nennt auch Carolyn Fluehr-Lobban, die in etlichen AAA-Kommissionen saß und sitzt: “Codes can be enforced only when tied to licensing or accreditation standards and grievance procedures” ( aus: Fluehr-Lobban, C.: In Anthropology and ethics in America’S declining imperial age. Anthropology Today 24(4) August 2008, S.22).

Doch Volker Harms Antrag hatte wohl genau das vorgesehen. Mehr als nur reines Fragenstellen, sondern auch Sanktionen einleiten gegenüber unethisch handelnden Personen bzw der Mitarbeit von Ethnologen an Projekten, deren Hintergrund, Ziele und Ausmaß für den Wissenschaftler nicht nur nicht gut zu beurteilen sind oder ungeklärt bleiben, sondern aller Voraussicht nach gegen solche Richtlinien verstossen - seiner Auffassung nach die Tätigkeit für Geheim- bzw. Informationsdienste. An sich schwingen in diesem Verbotsantrag noch viele weitere Fragen und Probleme mit, die ich hier jedoch nicht darstellen will.

Beide, AAA und ASA, haben sich in der Vergangenheit jedoch mit spezifischen bedenklichen Programmen auseinandergesetzt und in speziellen “statements” oder öffentlich gemachten Briefen davor gewarnt oder ihre Meinung kritisch dargelegt (zB AAA bei HTS oder dem Minerva-Auswahlverfahren, ASA bei PRISP).

Ob die DGV solche (internationalen oder nationalen) Debatten auch aufgreift oder ob sich in zwei Jahren eine Mehrheit für einen Antrag wie der von Volker Harms findet oder ob bis dahin sich die Landschaft ethnologischer Zusammenarbeit mit Informationsdiensten sowieso grundlegend geändert hat, bleibt abzuwarten.

06.10.09 @ 13:44


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