antisemitismus und ethnologie

jim(odertschad) @, Freitag, 09.06.2006, 17:21 (vor 6530 Tagen) @ leia organic

Hi Leia

Naja, ich hatte mal ein Seminar zu Rassismustheorien, da wars ähnlich duster, "Othering", "Rasse-Klasse-Geschlecht" und der ganze Kindergarten. Zu Antisemitismus, was hätte die Ethnologie da zu sagen, außerhalb phänomenologischer Beschreibungen, und nicht mal das schafft sie> Das Völkchen x in der Wüste z ist so und so antisemitisch> Das würde ja irgendwie den RastazöpfchenträgerstudentInnen den Spaß verderben, kann ja nicht angehen, dass die armen Ausgebeuteten und Unterdrückten jetzt auf einmal selber miese Rassisten, Sexisten oder Antisemiten sein sollen. Das nennt man dann lieber "soziales Drama", das höchst funktional wirkt.

Zu meinem Thema: Die Denkform ist ähnlich: abstrakte Seite des Kapitals wird konkretisiert, wahnhaft versteht sich, und darauf aufbauend dann behauptet, dass von Hexen gesteuerte "Zombies" den südafrikanischen Arbeitsmarkt kaputtmachen. Klingt auch nicht unlogischer oder archaischer als "jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung" oder "Heuschrecken". Erscheinungsformen sind ähnlich, Pogrome und Lynchmorde. Klar, dass kein VerGLEICH mit dem deutschen Vernichtungskrieg ansteht. Jedoch, ganz kulturrelativistisch im positiven Sinne der kritischen Theorie: es muss nix besonders archaisches, vorkapitalistisches sein, wenn "Hexen den Fortschritt verhindern", oder wie in Südafrika Menschen von den "Comrades", einer Anti-Apartheid-Jugendorganisation, als Volksschädlinge mit "Kollaborateuren" zusammen verbrannt wurden.

Zu den anderen Fragen: mail mir mal: nichtidentisches@web.de

Ach so, da fällt mir ein: In der Osteuropaszene sind möglicherweise ein paar recht fitte Leute unterwegs, die sich auch mit Antisemitismus auskennen könnten. Renationalisierung findet da oft mit Antisemitismus zusammen statt, (übrigens auch mit Hexenjagden in Russland), gibt ne nette Studie von Minkenberg, weiß nicht merh ob der Ethnologe ist, hab mal was zu Antisemitismus in Litauen gemacht. Zu Antisemitismus in Kreuzberg, willst du da eher so Stadtethnologie machen, mit richtig Interviews> Würde ich ja Bröckelhusten von bekommen, den ganzen Tag Antisemiten ausfragen...

Gruß

Jim (oder Tschäd)



» hi jim,
»
» yo, hab den artikel über memmi auch schon gelesen.
» ich denke auch, dass die mangelnde auseinandersetzung mit kritischer
» theorie
» in der ethnologie damit zu tun hat, dass antisemitismus eine leerstelle
» ist,
» aber das kann nicht die einzige erklärung sein, oder>
»
» deine arbeit klingt spannend, was ist deine these> "die hexe" als "der
» jude"
» afrikas, als verkörperung des werts welcher vernichtet werden muss> aber
» auf
» welchen zeitraum beziehst du dich da, geht es auch um vorkapitalistische
» ökonomien>
»
» wo schreibst du sowas, wer betreut sowas>
» ich hab für meine arbeit echt keinerlei betreuung von leuten, die ahnung
» haben, und im colloqium muss ich mich auch immer mit den üblichen kruden
» einstellungen rumschlagen *seufz*
»
» grüße
» leia


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