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Ethnologin ueber 'Schulversager': "Man sollte eher fragen, was mit den Erwachsenen los ist"

von lorenz am Jul 9, 2007 in Wir und die Anderen, Jugend, Arbeit(sleben), Deutschland, Oesterreich, Schweiz

Jedes Jahr verlassen bundesweit acht Prozent der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss. Was ist mit der Jugend los? "Man sollte eher fragen, was mit den Erwachsenen los ist", meint Ethnologin Renate Haas. Auf die Frage der Zeitung Märkische Allgemeine, "warum denn so viele Jugendliche durchs Raster fallen", antwortet sie:

Weil viele Lehrer sehr schlecht damit umgehen können, wenn die Schüler sich nicht ihren Vorstellungen entsprechend entwickeln. In einem Projekt der Berliner Humboldt-Universität haben wir Interviews mit über 90 Schülern geführt, demnach hätten viele Jugendliche durchaus eine Perspektive, wenn man ihnen genügend Zeit ließe und sie dabei unterstützte, ihre persönlichen Interessen und Berufswünsche zu entdecken. Das ist eine mühsame und mit Frustrationen verbundene Arbeit.

Die Lehrer geben sich also keine Mühe?

Haas: Lehrer tun sich schwer mit Kindern oder Jugendlichen, die der Norm nicht entsprechen. Vor allem Schüler, die sich in einer Krise befinden, werden schnell abgeschoben. Urteile wie: "Dem ist eh nicht mehr zu helfen" oder "kein Wunder, dass der versagt, da braucht man doch nur die Eltern anzugucken", gehören zum Alltag. Das sind Abwehrhaltungen, sie dienen dazu, die Angst und das Unbehagen, die solche Schüler bei den Lehrern auslösen, unbewusst zu machen.

Demnach sind die Lehrer an allem schuld?

Haas: Es geht hier nicht um Schuld, vielmehr darum, dass sie nicht gut genug ausgebildet sind. Sie müssten sich bereits im Studium vergegenwärtigen, dass Schule ein Mikrokosmos unserer Gesellschaft ist. Die Kinder und Jugendlichen wachsen in einer Gesellschaft auf, in der Widersprüche und antagonistische Interessen die Regel sind. Am brisantesten derzeit sind die nicht zu lösenden Konflikte zwischen den Arbeitenden und Erwerbslosen. Ähnlich gravierend verhält es sich mit den Interessenkonflikten zwischen den Generationen und den Geschlechtern.

(...)

Warum ist diese Quote dann im Osten so hoch?

Haas: Um nur zwei Gründe zu nennen: Wenn Eltern sich mit Hartz IV einrichten, weil sie keinerlei Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen, ist das sicher genauso wenig ermutigend für Kinder wie etwa Lehrer, die den rasanten Wandel der Gesellschaft nach der Wende nicht verarbeitet haben. Momentan lässt man die Jugendlichen in Brandenburg allem Anschein nach ziemlich allein.

>> weiter in der Maerkischen Allgemeine

Renate Haas arbeitet im Institut für Kulturanalyse, das Konzepte für die Bearbeitung von Konflikten in Institutionen und Gruppen entwickelt, u.a. in Schulen.

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Schule, Integration und Kosmopolitismus

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