antropologi.info - Ethnologie / Sozialanthropologie / Kulturanthropologie Blog

    Nordisk | English | Anthropology Newspaper | Anthropology Journal Ticker | Journals | Kontakt

Die zweifelhalften Kampagnen von Survival International

von lorenz am Mär 28, 2011 in Urbevölkerungen und Minderheiten, Wir und die Anderen

Rechtfertigt der gute Zweck einen “menschlichen Zoo”? fragt Ethnologin Katrin Zinoun. Wie sie habe auch ich (mal wieder) ein Mail von Survival International erhalten, in der die Organisation auf “seltene Filmaufnahmen von einem unkontaktierten Volk im Amazonas” aufmerksam macht.

Survival International wird selten kritisiert, und Journalisten widergeben Infos von dieser Organisation brav. Ihr Anliegen scheint nobel zu sein und ist es wohl teils auch: Sie protestieren und starten Kampagnen, wenn z.B. profitgierige Konzerne Regenwaldbewohner von ihrem Land vertreiben. Ja, eine gute Sache.

Doch welches Weltbild vermittelt die Organisation? Wie stellen sie sogenannte “indigene Völker” dar? Dies wäre ein interessantes Thema einer ethnologischen Forschungsarbeit.

Man könnte zum Beispiel ihre Vorstellungen von “ethnischer” und “kultureller” “Reinheit” untersuchen. “Isolation statt Kontakt mit “Fremden” scheint das Motto der Organisation zu sein. Woran erinnert uns dies? Die Gesellschaft für bedrohte Völker ist mehrmals wegen Verbindung zur rechten Szene in Schlagzeilen geraten. Finden wir implizit ähnliches Gedankengut bei Survival International? Was ist von den Zitaten oben auf ihrer Webseite zu halten wie z.B. “Die Fremden sind schlechte Menschen. Sie missbrauchen uns. Ich bleibe lieber im Dschungel.”

Interessant wäre auch eine Untersuchung des “Volk"-Konzeptes. Auffallend sind die Generalisierungen a la “Die Yanomami glauben…” Interne Unterschede scheint es nicht zu geben, und Menschen werden hauptsächlich über die Zugehörigkeit zu ihrem “Volk” definiert.

Und was ist von ihrem Geschichtsverständnis zu sagen wenn sie behaupten “Seit Jahrtausenden konnten sich die Yanomami im südamerikanischen Regenwald entfalten. Nun kämpfen sie um ihr Überleben, da es den Behörden nicht gelingt, sie vor Eindringlingen, Angriffen und Krankheiten zu schützen"?

“Fortschritt kann töten” heisst eine ihrer Kampagnen. Was erzählen ihre Argumente über die Organisation? Träumen die Survival-Aktivisten vom “Edlen Wilden”?

Katrin Zinoun fühlt sich beim Schauen des Videos (siehe unten) an koloniale Völkerschauen erinnert, sie kritisiert den Mythos der “unkontaktierten Völker” und hinterfragt das Motto von Survival International “Wir helfen indigenen Völkern ihr Leben zu verteidigen, ihr Land zu schützen und ihre Zukunft selbst zu bestimmen.”

“Nimmt man tatsächlich an", fragt sie, “diese Völker könnten ihr Leben selbst bestimmen, wenn eine engagierte NGO ihnen quasi vorschreibt, dass sie möglichst isoliert bleiben sollen, weil sie sonst an Zivilisationskrankheiten sterben könnten?

>> weiter auf Katrin Zinouns Blog dialogtexte

SIEHE AUCH:

“Untouched” Amazone hosted large cities

How Media and Digital Technology Empower Indigenous Survival

Ethnologen kritisieren Berichterstattung über “isolierte Urwaldvölker”

The Double Standards of the “Uncontacted Tribes” Circus

Romantisierungen am “Internationalen Tag der indigenen Völker”

Multikultureller Rassismus: Angst vor Identitätsverlust bei den Nicobaren?

“Leben wie in der Steinzeit” - So verbreiten Ethnologen Vorurteile

In Norwegian TV: Indian tribe paid to go naked

This entry was posted by admin and filed under Urbevölkerungen und Minderheiten, Wir und die Anderen.
  • « So verändert der Staudamm plötzlich ihr Leben
  • Dissertationsprojekt: Second Life - ein transnationaler Platz des Kulturaustausches? »

9 Kommentare

Kommentar von: Alles Schall und Rauch Nürnberg

Alles Schall und Rauch Nürnberg

Wie kann es sein das dieser Blog von Deutsche Welle TV für einen Award vorgeschlagen ist obwohl hier nicht einmal Kommentare stehen? Das spricht nicht gerade dafür das dies ein hochfrequentierter Blog ist.

Zu der Kritik an Survival International: Was wäre denn die alternative zur Isolation? Kontakt mit Alkohol, Prostitution, Goldgräbern, der Weltbank und einem zentralistisch-sozialistischen Scheingeldsystem das auf sein Ende zusteuert.
Diese Indigenen sind zu beneiden, wenn ich irgendwie könnte würde ich auch autark werden und mich von dem Wahnsinn isolieren - leider stecke ich schon zu tief in der Abhängigkeit dieses fiesen Systems!!!

07.04.11 @ 04:33

Kommentar von: lorenz

admin

Hi Schall und Rauch! Keine Ahnung wie mein Blog da gelandet ist, war auch überrascht. Ja, ich würd auch gern auf andere Planeten flüchten. Alternative zur Isolation? Die profitgierigen Gauner dingfest machen, und Gesetze entwickeln / anwenden, die uns vor Gaunern schützen. Handelt ja nicht nur um “Indigene", dieselben Gauner machen ja auch unsere Gegend hier kaputt.

08.04.11 @ 00:20

Kommentar von: Survival

Survival

Survival hat kein Konzept von ethnischer oder kultureller “Reinheit” – beides ist Nonsense. Survival hat auch keine Politik von Isolation im Gegensatz zu Integration, sondern unterstützt indigene Völker bei ihrem Recht ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Survival ist komplett apolitisch und unterstützt keine politische Partei, Gruppe oder Ideologie.

Zu sagen was die Yanomami „glauben“ ist natürlich leider immer eine Verallgemeinerung und verkürzt. Genauso wie jeder ähnliche Kommentar über Menschen überall auf der Welt.

Survival schreibt Menschen nicht vor, dass sie in Isolation leben sollen und versucht auch nicht die Unterschiede von Menschen zu konservieren. Survival versucht genau das zu tun, was er sagt: Die Rechte von indigene Völkern auf ein selbstbestimmtes Leben zu schützen, besonders wenn die Verweigerung dieses Rechtes sehr wahrscheinlich zu ihrer Zerstörung führen würde.

28.06.11 @ 13:06

Kommentar von: lorenz

admin

Danke für den Kommentar. Es ist mir schon klar, dass solche Konzepte nicht in der Vereinssatzung stehen. Es dreht sich mehr um die Frage, welche Bilder und Vorstellungen durch die Kampagnen in die Öffentlichkeit getragen werden und welche Aussagen diese über das Weltbild der Organisation machen

29.06.11 @ 00:05

Kommentar von: kiesswetter m.

kiesswetter m.

es ist nicht -entweder oder-,nicht wahr?
es ist wohl eher sowohl als auch…
man kann durchs kritisieren auch viel kaputt machen,jeder der keine lust hat ,sich mit dem thema auseinanderzusetzten kann jetzt abwinken und sagen..na siehste…

genau hinschauen…sich hineinversetzten.

09.12.14 @ 23:09

Kommentar von: Marie

Marie

Ich finde die Arbeit von Survival International gut. In den betreffenden Laendern gibt es schon genug Slumbewohner.
Die Alternative “die Gauner dingfest machen", das waere nett, ich bin nicht “dagegen, die Gauner dingfest zu machen".
Die praktische Alternative zum Leben unkontaktierter Voelker ist in erster Linie Slum, Drogen und Rechtlosigkeit.
Ausserdem setzt sich Survival International mit den Protestbriefen, die geschrieben werden, auch fuer Voelker (wie soll ich Ogiek, Massai etc. sonst nennen) ein, die durchaus nicht unkontaktiert sind und denen Land- und Weidegruende weggenommen werden!

Wer profitiert denn von den Staudaemmen etc.? Das fuellt ein paar Menschen die Taschen noch mehr, die Slumbewohner und kuenftigen Slumbewohner haben NIX davon!

Von der Hilfe, die Obdachlose, Drogenabhaengige und Arbeitssuchende in z.B. Deutschland bekommen, nicht nur in Form von Geld, sondern mit zig kostenlosen Beratungsstellen in jeder Stadt, Aerzte die ohne Keankenversicherung behandeln, Keankenversicherung, Substituierung und Entzugsstationen, psychiatrischer Behandlung etc., davon koennen viele Menschen in Lateinamerika, Afrika und Asien nur traeumen.

Fortschritt toetet, weil er oft ein toedliches Leben in den Slums und Randbezirken bedeutet.

Fuer die Batwa und Baka-"Pygmaen", fuer Minderheiten und Indien Bangladesch, etc., toetet Fortschritt.

13.02.18 @ 10:29

Kommentar von: Rosie Sohns

Rosie Sohns

Nach meiner Erfahrung hilft Survival International indigenen Völkern schnell und unbürokratisch, wovon ich mich einmal selbst überzeugen konnte.
Ich empfahl einem Indianer aus Canada diese Organisation und er erhielt prompt Hilfe und Geld für seine Kampagnen.

15.08.18 @ 20:13

Kommentar von: Sandra

Sandra

Familienurlaub in Afrika.
Wir fahren den Trans-Kalahari-Highway nach Maun. Auf halber Strecke, irgendwo in der Kalahari wird übernachtet. Als Event buchen wir einen Buschmenwalk. Eine kleine Gruppe San zeigt uns Pflanzen und für was die San die Pflanzen benutzen. Die San kichern, lachen und sind wirklich herzlich. Abends tanzen und singen die San für uns am Lagerfeuer.
Ich schäme mich bei der Szene. Mir ist es unangenehm, dass sich die San so verkaufen. Der einzige Mann der SanGruppe forderte mich auf Fotos zu machen. Mach Fotos, zeig Sie in deinem Land, dass die Menschen auf uns aufmerksam werden. Der fast verzweifelte Tanz des einzelnen SanMannes berührte mich sehr.
Am nächsten Tag gehts weiter. Die Steppe ist auf großen Flächen umgepflügt. Riesige Bewässerungsmaschinen stehen für den Gemüseanbau bereit. Die Straße führt vorbei an einem eingezäunten kleinen Gehege. Da wohnen die San. Eingesperrt wie Tiere im Zoo. Aus Ihrem Reservat wurden sie umgesiedelt. Sie dürfen nicht jagen.
Ihre Lebensgrundlage würde Ihnen entzogen. Alkohol, Aids, Sinnverlust.
Die Buschleute lebten in der Natur, mit der Natur. Sie zerstören sie nicht. Mit dem Schutz dieser Menschen wird auch die Natur und die Tiere geschützt.
„Mach Fotos“, sagt der SanMann, „zeig Sie in deinem Land. Zeig, dass es uns gibt.“
Wie kann ich diese Bitte nicht respektieren…

05.10.18 @ 18:16

Kommentar von: Fachkollegin

Fachkollegin

Dieser Beitrag ärgert mich ziemlich, weil er das Ergebnis von “einmal kurz draufgeschaut, Meinung gebildet” ist. Eine unfundierte, nicht haltbare Meinung. Wer in so wenigen Zeilen so wenig Ahnung beweist, sollte sich mit Kritik vielleicht zurückhalten. Oder sich ernsthaft mit dem Auseinandersetzen, über das er schreibt. So hat der Beitrag leider das Niveau eines BILD-Artikels.

06.09.23 @ 11:19


Formular wird geladen...

Suche

Neueste Beiträge

  • Paywalls überall: Wie kann man sich noch über Sozial- und Kulturanthropologie / Ethnologie informieren?
  • Was ist Natur? Wer darf über sie bestimmen? Kulturanthropologen erforschen die Rückkehr des Wolfes
  • "Je diverser die Gegend ist, um so weniger hat sie mit Landflucht zu kämpfen"
  • Was haben Corona-Hamsterkäufe mit der AIDS-Epidemie zu tun?
  • Migrationspolitik: "Abgelehnte Asylbewerber sind die perfekten Ansprechpartner"

International

  • antropologi.info is 20 years old - some (unfinished) notes and thoughts
  • More dangerous research: Anthropologist detained, beaten, forcibly disappeared in Egypt
  • When research becomes dangerous: Anthropologist facing jail smuggles himself out over snowy mountains
  • In Europe, more than two thirds of all academic anthropologists are living in precarity

Neueste Kommentare

  • Fachkollegin am Die zweifelhalften Kampagnen von Survival International
  • Christoph Antweiler am Populärethnologie von Christoph Antweiler: Heimat Mensch. Was uns alle verbindet
  • Dieter Haller am Neuer dtv-Atlas Ethnologie verhöhnt die Leserschaft?
  • Ute Hartmann am Neue Übersicht für Stellenangebote und Ankündigungen
  • ulrichdietl am Was ist Ethnologie? Eine schöne Definition

Categories

  • All

Nur Ergebnisse behalten, die zu Folgendem passen:

XML-Feeds

  • RSS 2.0: Beiträge, Kommentare
  • Atom: Beiträge, Kommentare
More on RSS

User tools

  • Admin

©2025 by Lorenz Khazaleh • Kontakt • Hilfe • PHP framework