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Ethnologen kritisieren Berichterstattung über "isolierte Urwaldvölker"

von lorenz am Jun 12, 2008 in Urbevölkerungen und Minderheiten, Wir und die Anderen, Medien, Indianer, Latein- und Mittelamerika

Pfeile gegen die Zivilisation und Hoffnung für die “Steinzeit"-Indios, meldeten die Zeitungen mit ungeschminkten Rasismus nachdem ein “Indianerstamm entdeckt” wurde.

Die Berichterstattung in der WELT hebt sich hier positiv ab. Ulrich Baron reflektiert über den Traum vom edlen Wilden. “Die Verklärung des Naturzustandes zählt zu den hartnäckigsten Illusionen der Menschheit", schreibt er.

Ein paar Tage später interviewt Sören Kittel die Ethnologen Wolfgang Kapfhammer aus München und Susanne Schröter aus Passau. Sie teilen nicht die Besorgnis von Organisationen wie Survival International, dass die Kultur der Indianergruppe “bald ausgelöscht sein” könnte.

Kapfhammer hat ein Jahr bei den Sateré-Mawé im Amazonas-Gebiet gelebt, die zwei Tage Bootsfahrt von der nächsten Stadt leben. “Trotzdem sind sie missioniert worden und tragen westliche Kleidung", sagt er:

“Die Frage, ob sie Kontakt bekommen, stellt sich gar nicht. Es geht vielmehr darum, die Waldbewohner vor der Gewaltkultur an den entlegenen Rändern der brasilianischen Gesellschaft zu schützen.”

“Aussterben ist ein westlicher Topos", sagt Susanne Schröter. Er gehöre ins 19. Jahrhundert und habe damals legitimiert, dass westliche Wissenschaftler Gegenstände exotischer Kulturen dokumentieren konnten.

Kapfhammer stimmt zu:

“Man hat den Eindruck, seit die ersten Indianer entdeckt wurden, sterben sie aus - das ist absurd.”

Heute leben rund 800 000 Amazonas-Indianer in Brasilien, die ein hohes Bevölkerungswachstum aufweisen. Zudem seien sie politisch gut organisiert: Die Sateré-Mawé, bei denen er geforscht hat, stellen in der außerhalb ihres Reservats gelegenen Provinzhauptstadt sogar den Bürgermeister.

Susanne Schröter sagt:

“Die Regierung könnte sie zu einem lebendigen Museum erklären, oder sie baut ihnen Schulen und Krankenhäuser. Eine Käseglocke für die nächsten 20 Jahre kann Funai dem Stamm auch nicht mehr überstülpen.”

>> weiter in der WELT

Auch international haben sich mehrere Ethnologen kritisch geäussert, siehe meine Zusammenfassung The Double Standards of the “Uncontacted Tribes” Circus

SIEHE AUCH:

Anthropologists condemn the use of terms of “stone age” and “primitive”

“Wie findet man Naturvölker?”

Die SZ und die Ureinwohner: Gestrandet im vorsintflutlichen Evolutionismus

Die uebliche Exotisierung: SPIEGEL ueber Garma-Festival der Aboriginees

Our obsession with the notion of the primitive society

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2 Kommentare

Kommentar von: Nichtidentisches

Nichtidentisches

Siehe dazu auch “Steinzeitmenschenalarm im Dschungelcamp”

06.07.08 @ 12:05

Kommentar von: lorenz

admin

Danke fuer den Link zu Deinem Kommentar. Sehr schøn. Der BILD-Artikel ist “gefundenes Fressen". Ethno::log verweist noch auf ein Interview mit dem Ethnologen Bruno Illius auf 3sat

06.07.08 @ 22:00


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