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Ethnologie und die Sehnsucht nach dem Tod

von lorenz am Sep 10, 2009 in Medizin Gesundheit, Ausstellungen Museen, Deutschland, Oesterreich, Schweiz

Vor drei Jahren hat sich sein bester Freund das Leben genommen. Den Ethnologen Falk Blask liess das Thema Suizid seitdem nicht mehr los. Schliesslich bot er ein Uni-Seminar zur Sehnsucht nach dem Tod an. Die Ausstellung “Sterben wollen. Denkraum Suizid” in Berlin ist Ergebnis dieses Seminares, so die Mitteldeutsche Zeitung.

Zum heutigen Welt-Suizid-Präventionstag symbolisieren alte Haustüren mitten in Berlin den freiwilligen Ausstieg aus dem Leben. Mehr als 9000 Menschen bringen sich in Deutschland jedes Jahr um. Weltweit sind es eine Million.

Einen normalen Umgang mit dem Thema Suizid gibt es nicht, prangern die Ausstellungsmacher an. Es ist immer noch ein Tabu-Thema. Sie hatten in all den Jahren ihrer Männerfreundschaft über vieles gesprochen, aber nie über den Tod, erzählt Ethnologe Falk Blask.

Doch der Bedarf darüber zu reden scheint gross zu sein. Blask schrieb das Suizid-Seminar für 15 Teilnehmer aus. Doch als er zur ersten Stunde kam, sassen da 90 Leute. Und niemand war bereit, wieder zu gehen.

Vielleicht liegt es daran, dass viele jemanden kennen, der sich das Leben genommen hat oder es versucht hat. Ja, nun weiss Blask, dass viele seiner Studenten ähnliche Erfahrungen haben wie er: Freunde, Eltern oder Geschwister nahmen sich das Leben.

>> weiter in der Mitteldeutschen Zeitung

Vermeidung braucht Öffentlichkeit heisst passenderweise der Text auf pressetext.at . Selbstmordprävention solle in Nachrichtensendungen oder auf Titelblättern denselben Stellenwert bekommen wie dies der HIV/Aids-Problematik bereits gelungen ist, so Georg Fiedler von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprophylaxe. “Mehr Aufmerksamkeit und eine Enttabuisierung des Themas wären wünschenswert.”

Menschen nehmen sich das Leben aus verschiedenen Gründen. Persönliche Krisen werden verschlimmert durch gesellschaftliche Entwicklungen. Mehr Selbstmorde durch Krise erwartet, meldet der Stern Vor allen Dingen ältere Menschen denken an Suizid, erfahren wir bei domradio.de Und die taz schreibt über Selbstmord als Machtinstrument: Milliardär Adolf Merckle liess sich vom Zug ueberollen nachdem sein Unternehmen Konkurs ging. In dieser Ohnmacht wollte er noch einmal Macht beweisen - über das eigene Leben und den eigenen Tod. Zum Recht, sich das Leben zu nehmen, hat Michal Kolesar einen interessanten Text geschrieben: “Wert des Lebens“.

Selbstmord ist ein komplexes Thema, das fachlich von Psychologen und Medizinern dominiert wird. Inspiriert vom Selbstmord einer guten Freundin (einer Ethnologin uebrigens) habe ich letzte Nacht den Text “The Anthropology of Suicide” geschrieben. In den Wochen und Monaten nach ihrem Tod hab ich mir oft die Frage gestellt, ob ihr Leben haette gerettet werden koennen, wenn mehr ueber solche Themen geredet wuerde und wir damit mehr ueber “psychische Probleme” Bescheid wuessten - ein Bereich wo auch unser Fach wichtige Arbeit zu leisten hat.

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2 Kommentare

Kommentar von: Julie

Julie

Salü,
Ihr Beitrag hat mir sehr gefallen.Schade dass es noch immer ein Tabu Thema ist.Ich selbst verspüre oft die Sehnsucht nach dem Tod.Ich habe eine Posttraumatische Belastungsstörung,da ich als Kind missbrauch erfahren habe.Ein Opfer bin ich lang nicht mehr,arbeite im Bereich Naturwissenschaften,Forschung als Chemielaborantin.d.h.ich bin im Alltag und Arbeitsleben voll intigriert,dennoch denke ich oft über suizuid nach,und werde es irgendwann sicher tun.Es ist sehr schwierig zu beschreiben was da vorgeht.Es ist keine Akute krise,die mich das denken lässt,eher die überzeugung das es irgendwann eben so sein wird,dem zu wiederstehen kostet doch immerwieder Energie und neue Ideen.Ist es doch so als würde man sich selbst was vormachen.

Aber darauf möchte ich garnicht hinaus,mehr beschäftigt mich der Gedanke ob es sowas wie ein Muster in der Familie gibt,welches sich wiederholt,so ähnlich wie auch versch.Krankheiten erblich bedingt sein können.Ich meine damit die sehnsucht nach dem Tod,das gefühl nicht hier her zu gehören,fremd sein.In meiner Familie haben sich mehrere das Leben genommen.

Mich hat ihr beitrag sehr zum nachdenken angeregt,und es gibt wenig raum offen über das Thema zu sprechen,da es sofort druck auf mein gegenüber auslöst,oder den gegenüber ohnmachtsgefühle gibt,und damit angst,und den zwang etwas tun zu müssen.Suzuid ist ein sehr machtvolles Wort.Grüsse Julie

08.11.10 @ 21:00

Kommentar von: lorenz

admin

Danke für den Kommentar. Offline gibt es wenig Gelegenheit darüber zu reden, im Internet gibt es eine Vielzahl von Foren und Diskussionsgruppen. Ich bin mir nicht sicher wie erblich eine Neigung zum Selbstmord ist. Was jedoch klar ist, ist, dass Menschen, die Selbstmorde im Familien- und Freundeskreis mitbekommen haben, ein erhöhtes Selbstmordrisiko haben.

15.11.10 @ 00:56


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