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Vuvuzelas und das ungleiche Verhältnis zwischen Nord und Süd

von lorenz am Jun 21, 2010 in Globalisierung, Wir und die Anderen, Afrika, Sport, Kultur Tradition

Foto: Axel Bührmann, flickr

Die WM scheint Ethnologen zu inspirieren. Mehr und mehr Ethnologen äussern sich zur WM in Süd-Afrika, nun auch zu den Vuvuzelas, den Plastiktrompeten, die manchen Fussball-Fans im Norden am liebsten verbieten würden.

Ja, sie sind laut, doch so ist das immer in Fussballstadien. Ist es so schwierig andere Traditionen respektieren? Ist hier ein (antidemokratischer) Trend zu beobachten in West- und Nordeuropa, wo Traditionen, die man nicht mag oder versteht (wie Hijab oder Burqa) versucht zu verbieten?

Doch nun bekommt das Anti-Vuvuzela-Lager Hilfe von zwei Südafrika-Experten. “Kulturlüge: Vuvuzelas sind reiner WM-Marketinggag. Fans gehen vorgegaukeltem Bezug auf Tradition auf den Leim”, meldet die Agentur pressetext.

Gero Erdmann vom Leipzig-Institut für Globale und Regionale Studien sagt:

Die Vuvuzela ist noch sehr jung und wurde vor neun Jahren erfunden. Das traditionelle Instrument, auf das sich der Erfinder in der Vermarktung bezieht, war in der Kultur kaum präsent.

Der Würzburger Musikethnologe Bernd Clausen meint auch, der Anschluss an traditionelle Musikinstrumente sei weitgehend aus der Luft gegriffen und spricht von einem Marketing-Gag.

Doch auch junge Traditionen haben Bedeutung. Vielleicht hätten den deutschen Forscher postkoloniale Perspektiven gut getan?

Graham Hough-Cornwell hat den Diskurs vor allem auf Twitter analysiert und schreibt auf anthropologyworks:

A large portion of the tweets fall along Westerners vs. Africa, neo-imperial fault lines. Some see the vuvuzela issue as Westerners trying to control an important part of South African sporting culture

Er kritisiert auch den “Ethnozentrismus” der Kritiker, die meinen Vuvuzelas “ruinierten die traditionelle Fussballatmosfäre” mit Supportergesängen:

This particular Twitter user fails to recognize that different parts of the world have their own fan traditions, and the songs and chants familiar to many European audiences may not be so “traditional” elsewhere. In other places, drums or horns — a variation on the vuvuzela, the corneta, is popular in Latin America — might create the sound of a soccer match.

Sind es eigentlich nur die Südafrikaner, die mit den Vuvuzelas heruntröten, fragt Norman Schräpel auf wildesdenken.de? Keineswegs. Alle Nationen tröten. “Schlagen die ehemals Kolonialisierten zurück? Ja, denn die Welt trötet mit und das ist gut so", meint der Ethnologe.

Derweil untersucht Ethnologe Matthias Gruber einen anderen Aspekt der WM, der das ungleiche Verhältnis zwischen Nord und Süd problematisiert: gefälschte Markenartikel, sogenannte Fong Kongs. Darunter befinden sich auch Trikots. Der Preis eines Original-Trikot kostet in einem Sportgeschäft in Abidjan 35 000 Francs (knapp 54 Euro) - mehr als ein durchschnittlicher Monatsverdienst, erfahren wir im Handelsblatt. Kein Wunder also, , dass die große Nachfrage nach den Hemden der Nationalmannschaft eine ganze Fälscherindustrie hervorgebracht hat

Der Handel mit Fong Kongs sei seit der Weltmeisterschaft auf Druck der Fifa zur Zielscheibe täglicher Polizeieinsätze gegen Händler und Kunden geworden. Verkäufer würden abgeführt, die Waren vernichtet, berichtet der Ethnologe:

“Diese Einschränkungen werden von vielen als ungerecht wahrgenommen und als Beispiel asymmetrischer Hierarchien zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden verstanden.”

Von Matthias Gruber gibt es auch den Text Fussball in Südafrika (Journal Ethnologie)

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